Der Energiegehalt in Abwässern aus Haushalten, Gewerbe und Industrie ist beträchtlich. In Österreich wird Abwasser als Energiequelle bisher aber noch kaum genutzt. Über Wärmetauscher kann die im Abwasser enthaltene Wärmeenergie entnommen und mit Wärmepumpen auf das benötigte Temperaturniveau z. B. für Heiz- oder Kühlzwecke gebracht werden. Die Abwassertemperaturen liegen ganzjährig um oder über 10°C und sind damit optimal für den Einsatz von Wärmepumpen geeignet. Abwasser fällt in großen Mengen zumeist dort an, wo auch Energie benötigt wird, d. h. wo sich genügend Wärme- und Kälteabnehmer befinden. Die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Nutzung von Abwasserenergie sowie die Möglichkeiten zur Einbindung in kommunale Energiesysteme wurden in mehreren Forschungsprojekten der Österreichischen Energieagentur in Kooperation mit Ochsner Wärmepumpen GmbH untersucht. Basierend auf den Ergebnissen konnte noch während der Projektlaufzeit eine Anlage der STADTwerke Amstetten realisiert werden.
Thermische Nutzung von Abwasserenergie
Zielsetzung des Projekts „Energie aus Abwasser“ war es, die technischen Möglichkeiten der Energierückgewinnung aus dem Abwasser mittels Wärmepumpe sowie Potenziale und rechtliche Rahmenbedingungen zu analysieren und damit die Grundlagen für eine Verbreitung dieser Form der Energiegewinnung in Österreich zu schaffen. Die Untersuchungen ergaben, dass die thermischen Nutzungsmöglichkeiten des Kläranlagenablaufs z. B. für die Klärschlammtrocknung, die Beheizung von Kläranlagenbetriebsgebäuden und auch anderer Gebäude rund um Kläranlagen und in der Nähe von Sammelkanälen bedeutend sind. Zahlreiche Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass bei der Abwasserwärmenutzung nach der Kläranlage auch Gebäude, die mehrere Kilometer entfernt liegen, wirtschaftlich versorgt werden können.
Ob die thermische Abwassernutzung an einem bestimmten Standort technisch und wirtschaftlich machbar ist, muss jeweils im Detail untersucht werden. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden Konzepte und Planungstools zur kommunalen Energieraumplanung entwickelt, um z. B. zu ermitteln, ob umliegende Gebäude mit Leitungen erschlossen werden können, oder abzuschätzen, wie sich der Wärme- und Kältebedarf von Neubaugebieten entwickeln werden. Es wurde auch analysiert, ob und wie sich der Wärme- und Kältebedarf rund um Kläranlagen mit Neuansiedlungen, die einen ganzjährig gleichbleibenden Niedertemperaturbedarf haben (wie z. B. Gewächshäuser, Sporthallen oder Hallenbäder), erhöhen lässt.
Technologie zur Abwassernutzung
Die Wärme- und Kältenutzung des Abwassers kann vor oder nach der Kläranlage oder auch im Gebäude selbst stattfinden. Die Energieentnahme erfolgt entweder aus dem Kanal (ungereinigtes Abwasser) oder im Ablauf der Kläranlage (gereinigtes Abwasser). Für große Objekte gibt es die Möglichkeit der Direktnutzung des eigenen Abwassers über einen Sammelschacht. Die wichtigsten Komponenten einer Abwasserenergieanlage sind die Wärmepumpe und der Abwasserwärmetauscher. Effizienz und Wirtschaftlichkeit hängen von der optimalen Abstimmung dieser Elemente ab. Für den jeweiligen Anwendungsfall müssen ein geeigneter Abwasserwärmetauscher, eine Wärmepumpe mit optimiertem Kältekreislauf für höchstmögliche Leistungszahlen und ein auf den Wärmepumpenbetrieb optimiertes Heizungs- und Kühlsystem ausgewählt werden. Wichtig ist auch die Optimierung des Temperaturniveaus schon bei der Anlagenplanung, da dies ebenfalls großen Einfluss auf die Effizienz der Gesamtanlage hat.
Dipl.-Ing. ETH Karl Ochsner
Geschäftsführer Ochsner Energie Technik GmbH
Projekt STADTwerke Amstetten
Ein Vorzeigeprojekt für das Heizen und Kühlen mit Abwasserenergie wurde in Amstetten in Niederösterreich realisiert. Seit 2012 werden die Betriebsgebäude der STADTwerke Amstetten nicht mehr mit Erdgas und das Kraftwerk nicht mehr mit Strom beheizt. Stattdessen entzieht ein 42 Meter langer Wärmetauscher dem Sammelkanal des Gemeindeabwasserverbands Wärme. Eine Wärmepumpe mit 228 Kilowatt Leistung nutzt diese Energie zum Heizen und Kühlen der Betriebsgebäude. Die vorhandenen Gaskessel wurden als Backup-System bzw. zur absoluten Spitzenlastabdeckung (99,9 % erbringt das Wärmepumpen-System) beibehalten. Die Wärme wird über Pufferspeicher und ein Niedertemperatur-Nahwärmenetz verteilt. Die Wärmeabgabe in den Gebäuden erfolgt über Fußbodenheizungen.
Bereits im ersten Betriebsjahr erzielte die Anlage eine Ersparnis von 20.500 Euro. In rund 12 Jahren sollen sich die Investitionen amortisieren. Die CO2-Emissionen konnten um knapp drei Viertel oder 55 Tonnen CO2 pro Jahr reduziert werden. Bei der Planung von Anlagen zur Abwassernutzung sind auch die Auswirkungen auf die Effizienz der Kläranlage zu berücksichtigen. Bei dieser Anlage kommt es zu keiner Beeinträchtigung des Kläranlagenbetriebs, da das Abwasser bei der Kläranlage nur um ca. 0,15°C abgekühlt wird und die Abwassertemperatur im Kanal mit durchschnittlich 22°C (im Winter) hoch ist. Die Abwasserenergieanlage wurde inzwischen adaptiert, so dass in der Übergangszeit das aus dem Kanalwärmetauscher gewonnene Heizungswasser mit 27°C auch direkt – also ohne Wärmepumpe – zum Heizen eingesetzt werden kann. Die Forschungstätigkeiten werden im Projekt „Abwasserenergie“ fortgeführt. Der Schwerpunkt liegt auf der Nutzbarmachung vorhandener Energieressourcen aus der Kläranlage für umliegende Wärmeverbraucher. www.abwasserenergie.at
Abwasserenergieanlage STADTwerke Amstetten:
Gesamtwärmebedarf ca. 230 kW
Max. Vorlauftemperatur Nahwärmenetz 45°C
Jährliche CO2-Reduktion 54,40 t bzw. 72,43 %
OCHSNER Wärmepumpe ISWS210ER2
Heizleistung 228 kW
Temperatur Energiequelle Wasser 15/10°C
Leistungszahl (COP) 5,4
Kanalwärmetauscher Uhrig ThermLiner
Gesamtlänge ca. 42 m
Abwassertemperatur ca. 22°C