Foto: Projektfabrik Waldhör KG

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Die Energiezukunft gestalten
Teilnahme der NutzerInnen am Innovationsprozess

Um den Herausforderungen durch Klimawandel und Umweltzerstörung zu begegnen, hat die Europäische Union Ende 2019 eine neue Wachstumsstrategie gestartet. Der europäische „Green Deal“ ist der Fahrplan für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige EU-Wirtschaft und soll Eu­ropa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Das ambitionierte Maßnahmenpaket reicht von einer entschlossenen Senkung der Treibhausgasemissionen über Investitionen in Spitzenforschung und Innovation bis hin zur Erhaltung der natürlichen Umwelt. Mit dem Anfang 2020 vorgeschlagenen Investitionsplan sollen in den nächsten zehn Jahren nachhaltige Investitionen für die Klimawende in Höhe von mindestens 1 Billion Euro mobilisiert werden.1 Zu den Initiativen im Rahmen des Green Deals gehört u. a. das erste europäische Klimagesetz zur Verankerung des Ziels der Klimaneutralität bis 2050 im EU-Recht.

Partizipation und Co-Creation

Große gesellschaftliche Umbrüche wie Klimawandel, Urbanisierung, demografischer Wandel und Digitalisierung erfordern nicht nur technologische, sondern auch soziale Innovationen. Um die für 2050 angestrebte Klimaneutralität in Europa zu erreichen, ist eine frühzeitige und kontinuierliche Einbindung der BürgerInnen entscheidend. Eine wesentliche Zielsetzung der europäischen missionsorientierten Forschungspolitik ist es, die User-Perspektive in den Innovationsprozess zu integrieren und Stakeholder und NutzerInnen u. a. im Rahmen von Co-Creation Prozessen in die Entwicklung und Implementierung von Missionen einzubeziehen.2 Mit dem von der Kommission vorgeschlagenen europäischen Klimapakt sollen sämtliche Anstrengungen für eine klimafreundliche Zukunft gebündelt und Regionen, lokale Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft, Schulen, die Industrie und Privatpersonen in den Transformationsprozess integriert werden.3

Aktive Rolle der KundInnen im integrierten Energiesystem

Im zukünftigen Energiesystem mit einem hohen Anteil an erneuerbarer Energie werden die EnergiekundInnen eine neue Rolle einnehmen. Das schwankende Energieangebot aus Wind und Sonne erfordert eine hohe Flexibilität im Energiesystem. Immer mehr private Haushalte, öffentliche Gebäude, Gewerbe- und Industriebetriebe werden zukünftig von reinen Energiekonsumenten zu sogenannten Prosumern, die Energie selbst vor Ort erzeugen, lokal verbrauchen, speichern und ins Netz einspeisen können. Die Digitalisierung ist der Enabler für integrierte Lösungen und erlaubt es, die verschiedenen Komponenten wie PV-Anlagen, Speicher und Elektrofahrzeuge sowie den Verbrauch zu steuern und aufeinander abzustimmen. EndkundInnen können mit Hilfe von neuen Technologien ihre Flexibilität anbieten und werden so zu aktiven TeilnehmerInnen im integrierten Energiesystem. Im Klima- und Energiepaket „Clean energy for all Europeans“ 4 der EU wurde ein Rahmen geschaffen, der die Rolle von Privatpersonen, KMU, öffentlichen Körperschaften sowie entsprechenden Gemeinschaftsstrukturen im Energiesektor stärkt.

Energiegemeinschaften ermöglichen

Die aktuelle Studie „Erneuerbare Energien in Österreich“ (Universität Klagenfurt, WU Wien, Deloitte Österreich und Wien Energie) zeigt die hohe Zustimmung der österreichischen Bevölkerung zu den erneuerbaren Energieträgern. Im landesweiten Durchschnitt sprechen sich 77 % der Befragten dafür aus, unter den Jugendlichen liegt der Wert sogar bei 82 %. Am besten schnitt die Solarenergie ab: rund 88 % würden eine Photovoltaikanlage in der Wohngemeinde unterstützen, 74 % ein kleines Wasserkraftwerk und 67 % Windräder nahe der Gemeinde, konstatiert der Bericht für das Jahr 2019. Wachsendes Interesse zeigte sich auch für die Bildung von Energiegemeinschaften. Bereits rund zwei Drittel der österreichischen Befragten ziehen eine aktive Beteiligung bei solchen Anlagen in Betracht. Energiegemeinschaften ermöglichen es Privatpersonen gemeinsam Strom oder Wärme lokal zu erzeugen, zu verbrauchen und zu speichern.
 
Aktuell werden vom Bundesministerium für Klimaschutz in Umsetzung einer EU Direktive zu Energiegemeinschaften neue nationale Rahmenbedingungen ausgearbeitet. Seit 2017 ist es in Österreich möglich, mittels einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage den Strom, der von einem Gebäude erzeugt wird, allen BewohnerInnen oder MieterInnen zur Verfügung zu stellen. Mit den neuen Energiegemeinschaften kann zukünftig auch über die Grundstücksgrenzen hinweg, in gewisser regionaler Entfernung, Strom produziert, gemeinsam genutzt, gespeichert und am Energiemarkt gehandelt werden, was eine deutlich dynamischere Entwicklung erwarten lässt.5
 
1 https://ec.europa.eu/germany/news/20200114kommission-praesentiert-plaene-zur-finanzierung-des-oekologischen-wandels_de
2 https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/research_and_innovation/contact/documents/ec_rtd_mazzucato-report-issue2_072019.pdf
3 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_336
4 https://ec.europa.eu/energy/topics/energy-strategy/clean-energy-all-europeans_en
5 https://infothek.bmvit.gv.at/studie-erneuerbaren-energien-oesterreich-klimapolitik/

 

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  • Foto: stock.adobe.com
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