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Sanierungsrate steigern
Herausforderungen für die Bauwirtschaft

Das Produktionsvolumen der Bauwirtschaft ist in Österreich trotz der Einschränkungen durch die COVID- Pandemie nur geringfügig gesunken und betrug 2020 insgesamt rund 40 Mrd. Euro. Etwa ein Viertel davon entfällt auf die Sanierung im Hochbau. Aktuelle Markteinschätzungen gehen davon aus, dass der Bausektor auch in den nächsten Jahren ein Konjunkturmotor bleiben wird. Die Dekarbonisierung des Gebäudebereichs ist ein wichtiger Eckpfeiler, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Intensivierung der Gebäudesanierung. Als Kennzahl dafür gilt die Sanierungsrate, die im heimischen Wohnbau aktuell bei 1,5 % liegt. Eine Erhöhung dieser Quote auf 3 % wird in Österreich angestrebt. So wurden u.a. im Regierungsprogramm 20201 verschiedene Maßnahmen festgehalten, die die Entwicklung der Sanierungsrate in Richtung dieses Zielwertes unterstützen und die Sanierungsqualität verbessern sollen.
 
Eine neue Methodik zu Definition und Messung der Sanierungsrate im Wohnbau wurde im Frühjahr 2020 vom Umweltbundesamt gemeinsam mit dem IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen vorgelegt. Die Berechnungen nach dieser Methodik zeigen, dass für ein vollständiges Durchsanieren des thermisch unzureichenden Wohnungsbestands in Österreich eine Erhöhung der Sanierungsrate von derzeit 1,5 % auf etwa das Doppelte bis 2040 ausreichen würde.2

Definition Sanierungsrate gem. Kap. 4.2.1.,  Abb.: IIBW&Umweltbundesamt (2020a), 2019: IIBW-Schätzung
Definition Sanierungsrate gem. Kap. 4.2.1.,
Abb.: IIBW&Umweltbundesamt (2020a), 2019: IIBW-Schätzung

Kapazitäten im Bausektor anpassen

Die Zielsetzungen im Bereich Sanierung stellen die Baubranche vor große Herausforderungen. Es ist zu erwarten, dass die Auftragslage im Neubau auch in den kommenden Jahren weiterhin gut bleibt. Um die Sanierungsleistung steigern zu können, müssten daher die Kapazitäten der Bau- und Bauproduktewirtschaft ausgeweitet werden. Zur Abschätzung des notwendigen Volumens wurden in der neuen Studie „Kapazitätsanpassung der Bauwirtschaft für eine höhere Sanierungsrate“ des IIBW in Kooperation mit dem Energieinstitut der JKU Linz verschiedene Szenarien berechnet und die Auswirkungen auf den Bausektor analysiert. Besonders interessant ist das ambitionierte Szenario mit einer Erhöhung der Sanierungsrate auf 2,3 % im Jahr 2023 und 2,8 % im Jahr 2030. Diese Entwicklung würde nicht nur die Klimaziele nachhaltig unterstützen, sondern könnte auch einen signifikanten Beitrag zur Konjunkturbelebung nach der COVID-Krise leisten. Für die Bauwirtschaft würde dies allerdings eine enorme Ausweitung des Produktionsvolumens in der Hochbau-Sanierung von derzeit ca. 10 Mrd. Euro auf 16 Mrd. Euro bis 2025 bedeuten. Jährliche Steigerungen um bis zu 15 % wären in diesem Sektor notwendig. Neben Engpässen bei Bauprodukten wie Stahl, Holz oder Kunststoff sowie bei Lieferketten und Logistik ist der Arbeitskräftemangel eine zentrale Barriere für die Umsetzung dieses Szenarios. Der ambitionierte Sanierungspfad würde laut den Berechnungen ca. 17.000 zusätzliche Beschäftigte im Bausektor erfordern. Umschulungen sowie der Einsatz von ausländischen Arbeitnehmer:innen bzw. Subauftragnehmern sind nur begrenzt möglich. Die Analysen zeigen, dass eine nachhaltige Ausweitung des Arbeitskräftepotenzials erst über mittel- bis langfristige Lösungen erzielt werden kann. Der Fokus sollte hier auf der Weiterentwicklung eines dualen Ausbildungssystems liegen.

Strategien und Maßnahmen

Forschung und Innovation spielen eine wichtige Rolle für die nachhaltige Entwicklung des Bausektors. Die Integration von neuen Technologien und Produkten kann nicht nur im Neubau, sondern auch in der Gebäudesanierung zu richtungsweisenden Lösungen führen. Innovative Entwicklungen betreffen u. a. die Vorfertigung von Bauteilen, nachhaltige und recyclingfähige Materialien und Produkte, die Optimierung der Bauprozesse in Richtung CO2-neutrale Baustelle sowie der Einsatz digitaler Technologien, wie z. B. Buliding-Information-Modeling (BIM) zur integrierten, effizienten Planung und Durchführung von Bauprojekten. Artificial Intelligence, Blockchain oder Robotik werden aktuell im Bausektor erforscht und getestet. In der Studie werden sowohl für den großvolumigen Bereich als auch für den großen Bestand an Eigenheimen detaillierte Maßnahmen (u. a. zu rechtlichen Rahmenbedingungen und Förderungen) vorgeschlagen, die eine planvolle Ausweitung der Hochbausanierung unterstützen können.

nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/kapazitaetsanpassung-bauwirtschaft.php/
 

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Wolfgang Amann, Foto: IIBW

„Die Dekarbonisierung des österreichischen Gebäudebestands bis 2040 erscheint machbar. Allerdings setzt dies ein Bündel von Maßnahmen voraus. Im Vordergrund stehen Förderanreize, wohn- und ordnungsrechtliche Reformen. Mit der vorliegenden Studie wurde aufgezeigt, dass auch die verfügbaren Kapazitäten der Bauwirtschaft einen Engpass bilden können. Das Produktionsvolumen in der Gebäudesanierung muss mittelfristig um rund zwei Drittel gesteigert werden. Wenn wir nicht nur mehr, sondern auch bessere Sanierungen haben wollen, braucht es vor allem gut ausgebildete Fachkräfte. Wir haben mit der dualen Berufsausbildung ein exzellentes Instrument in der Hand. Allerdings brauchen wir viel mehr Baulehrlinge. Karrieretechnisch bietet eine Lehre alles, was man sich für einen jungen Menschen wünschen kann.“

Wolfgang Amann,
IIBW – Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen

1 Aus Verantwortung für Österreich – Regierungsprogramm 2020-2040, S. 76 ff.
www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html
2 iibw.at/documents/2020%20IIBW_UBA%20Sanierungsrate.pdf

 

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