Um das nationale Ziel „Klimaneutralität bis 2040“ umsetzen zu können, braucht es umfassende Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft. Die österreichische Industrie wird auf dem Weg dorthin eine zentrale Rolle spielen, denn die industrielle Produktion hat gemeinsam mit dem Energiesektor den größten Anteil an den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen. Die THG-Emissionen dieser beiden Sektoren beliefen sich 2022 auf 32,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, was einem Anteil von rund 45 % an den Gesamtemissionen (72,84 MT CO2-Äquivalent) in Österreich entspricht.1
Die Industrie hat auch den größten Energieverbrauch zu verzeichnen. Innerhalb der Bilanzgrenze aller Anlagen und Prozesse der österreichischen Industriestandorte werden jährlich 110 TWh Energie benötigt. Dies macht rund 27 % des Bruttoinlandverbrauchs aus.2 Andererseits ist die Industrie ein wichtiger Motor für nachhaltiges Wachstum, Arbeitsplätze, Innovation und Lebensqualität in Österreich. Der „produzierende Bereich“ umfasst (lt. Statistik Austria) die Sachgütererzeugung, den Bergbau, die Energie- und Wasserversorgung sowie die Bauwirtschaft und trägt mit einem Anteil von rund 29 % am Bruttoinlandprodukt (BIP) wesentlich zur österreichischen Wirtschaftsleistung bei.Fast eine Million Menschen sind hier in über 67.000 Unternehmen beschäftigt.3
Die Transformation hin zu einer sauberen, ressourcenschonenden und zugleich wettbewerbsfähigen Produktion ist eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Forschung und Technologieentwicklung spielen dabei eine zentrale Rolle. Wichtige Ansatzpunkte für den Transformationsprozess der Industrie sind die Themen Ressourcen, Energie, CO2 sowie Kreislaufwirtschaft.
Den Transformationsprozess gestalten
In den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der Entwicklung und Demonstration von innovativen Technologien und Konzepten zur Dekarbonisierung der Industrie gemacht. Nun geht es darum, diese in die industriellen Prozesse zu integrieren, um nachhaltig hochwertige und wettbewerbsfähige Produkte erzeugen zu können. Bereits 2020 wurde vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) in Zusammenarbeit mit der Industriellenvereinigung der Dialogprozess „Klimaneutrale Industrie Österreich“ gestartet. Im Austausch mit den größten österreichischen Industrieunternehmen wurden in einem partizipativen Prozess Wege für die Transformation der Industrie diskutiert und Strategien ausgearbeitet.
www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/gruene-industriepolitik/klimafitte_industrie.html
Die aktuelle Studie transform.industry, die im Auftrag des Klima- und Energiefonds vom Austrian Institute of Technology (AIT) durchgeführt wurde4, beschäftigt sich mit der Frage, wie der Prozess zur Dekarbonisierung der Industrie bestmöglich ablaufen kann. In vier Szenarien, angewandt auf 13 Industriesektoren, wurden mögliche Entwicklungspfade untersucht, die auf unterschiedlichen Maßnahmen und Technologien zur Dekarbonisierung aufbauen.
Im Szenario „Erneuerbare Gase“ wird die nachhaltige Transformation der Industrie durch die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger erreicht. Im Szenario „Innovation“ werden in hohem Ausmaß Best-available und Breakthrough-Technologien umgesetzt, während das Szenario „Sektorkopplung“ darauf abzielt, Energieträger so effizient wie möglich zu nutzen, indem z. B. Abwärme aus industriellen Prozessen in anderen Sektoren zum Einsatz kommt. Das Szenario „Kreislaufwirtschaft“ setzt u. a. auf eine gesteigerte Materialeffizienz und hohe Recyclingquoten, wodurch die energieintensive Grundstoffherstellung reduziert wird.
In allen Szenarien wird deutlich, dass der Ausbau von erneuerbarer Energie in den nächsten Jahren höchste Priorität haben muss. Um die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben, braucht es außerdem Planungssicherheit für die Unternehmen, schnellere Genehmigungsverfahren und eine laufende technologische Weiterentwicklung. Die Analysen zeigen, dass alle vier Szenarien einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben. Laut der Berechnungen wird durch die Transformation ein zusätzliches BIP-Wachstum in der Höhe von rund acht bis zehn Milliarden Euro generiert. Auf Basis der Ergebnisse wurden strategische Forschungs-, Technologie- und Innovationsfahrpläne sowie entsprechende Handlungsempfehlungen ausgearbeitet.
www.klimafonds.gv.at/mediathek/studienpraesentation-transform-industry
Podcast der Österreichischen Energieagentur zur Studie:
petajoule.podigee.io/62-transformindustry
Fokus Kreislaufwirtschaft
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist ein wesentlicher Lösungsansatz für Energie- und Ressourceneinsparungen sowie die Vermeidung von klimaschädlichen Emissionen in der industriellen Produktion. Wichtige Impulse für die Erforschung und Umsetzung dieses Konzepts liefert der Beschluss der Kreislaufwirtschaftsstrategie 2022 sowie der FTI-Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft des BMK, der 2021 verankert wurde und seit 2024 auch explizit die Produktionstechnologien adressiert (siehe Seite 4-5). In dieser Ausgabe stellen wir einige österreichische FTI-Projekte vor, die innovative Lösungen für die Transformation der Industrie mit Fokus auf die Umstellung zur Kreislaufwirtschaft entwickeln und demonstrieren.
Mit der Klima- und Transformationsoffensive des Bundes werden heimische Industriebetriebe dabei unterstützt, ihre Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Das stärkt einerseits die Wertschöpfung in Österreich und führt andererseits zu mehr Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten. Bis 2030 stehen Förderungen von insgesamt rund 5,7 Milliarden Euro zur Verfügung, davon 320 Millionen Euro für die FTI-Initiative „Transformation der Industrie“. Diese Initiative wird vom Klima- & Energiefonds implementiert und unterstützt die Entwicklung und Demonstration von innovativen Technologien, die zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit beitragen und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft steigern.
www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/klimaschutz/ufi/industrie.html
www.klimafonds.gv.at/call/fti-initiative-fuer-die-transformation-der-industrie-zweite-ausschreibung
1 Quelle: www.klimadashboard.at/emissionen, Gesamtemissionen Österreich 2022: 72,84 MT CO2 eq, Anteil Industrie: 34,44 % basierend auf CRF-Datensatz des Umweltbundesamt (Datenstand inkl. 2022, Open Data)
2 Quelle: Studie „Klimaneutralität Österreich bis 2040 – Beitrag der Industrie“ (AIT, EVT, Energieinstitut JKU Linz , Austrian Energy Agency)
3 Quelle: IV, www.iv.at/Unsere-Industrie/Unsere-Industrie/Das-Industrieland–sterreich/Das-Industrieland-Oesterreich.de.html
4 Projektpartner: Österreichische Energieagentur, Montanuniversität Leoben, Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz