Auch kleine und mittelgroße österreichische Städte (mit 10.000 bis 50.000 Einwohner:innen) haben sich das Ziel gesetzt, möglichst rasch Klimaneutralität zu erreichen und entwickeln dazu geeignete Strategien und Maßnahmen. 38 Städte werden aktuell durch den Klima- und Energiefonds dabei unterstützt, Klimaneutralitätsfahrpläne sowie zielgruppengerechte Strategien und Lösungen auszuarbeiten. Diese Städte können Erfahrungen und Wissen mit anderen Städten austauschen, Synergien nutzen und auch Ergebnisse aus Forschungs- und Demonstrationsprojekten der größeren Pionierstädte aufgreifen.
BREGENZ
Gemeinsam den Klimaneutralitätspfad entwickeln
Die Landeshauptstadt Bregenz setzt als e5-Stadt1 seit Jahren erfolgreiche Maßnahmen für den Klimaschutz um. 2023 wurde ein intensiver partizipativer Prozess zur Erarbeitung eines Klimaneutralitätsfahrplans gestartet, in den die Bürger:innen, der Bregenzer Klimabeirat, die Wirtschaft sowie Bregenzer Immobilienverwaltungen, Vereine und Organisationen eingebunden sind. Ein erstes Ergebnis ist eine vorläufige Datenbank, in der 170 konkrete Maßnahmen aufgeführt werden.Im Juli 2024 wurde die Zielsetzung „Klimaneutralität bis 2040“ in der Stadtvertretung einstimmig beschlossen und die weitere Vorgangsweise festgelegt. „Der Klimabeirat, ein unabhängiges Expert:innen-Gremium, wird zunächst Maßnahmen aus der Datenbank auswählen, die im kommenden Jahr umgesetzt werden sollten“, erklärt Gerold Ender, Leiter der Abteilung Klimaschutz, Umwelt und Energie der Stadt. „Das für die energiepolitische Arbeit verantwortliche e5-Team (besetzt mit Verwaltungsspitzen, Stadträten und dem Bürgermeister) wird die Vorschläge auf ihre finanzielle und personelle Machbarkeit prüfen, den konkreten Fahrplan festlegen sowie die Budgetierung und Umsetzung der Maßnahmen auf den Weg bringen.“ Geplant ist auch ein begleitendes Monitoring, das zeigen soll, welche Wirkung die Maßnahmen tatsächlich erzielen.
1 www.e5-gemeinden.at
Neue Akteur:innen gewinnen
Die Stadt bemüht sich laufend um die Einbindung weiterer Stakeholdergruppen in den Prozess. So wird u. a. mit den Religionsgemeinschaften zusammengearbeitet, die bereits Beschlüsse für die Energieautonomie gefasst haben und großes Engagement zeigen, Klimaneutralitätsmaßnahmen z. B. in den Bereichen Energie und Gebäude umzusetzen.
Mobilität
Beim Thema Verkehr ist Bregenz schon seit Jahren auf einem guten Weg. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) am Verkehrsaufkommen beträgt 35 %. Mit dem Rad werden 27 %, zu Fuß 23 % und mit öffentlichen Verkehrsmitteln 15 % der Wege zurückgelegt. „Damit das nicht stagniert braucht es aber wieder einen Schub“, sagt Gerold Ender. „Unser Ziel ist es, auch das letzte Drittel der Menschen zu motivieren, unser gesamtes Mobilitätsangebot zu nutzen.“
Fokus Raumwärme
Eine zentrale Herausforderung ist das Thema Raumwärme. 85 % des Energiebedarfs im Wärmebereich wird mit fossiler Energie (hauptsächlich Erdgas) bereitgestellt. Aktuell entsteht ein neues Biomasseheizwerk, mit dem zukünftig rund 500 Gebäude im Großraum Bregenz mit Wärme beliefert werden sollen. Das Projekt „Nahwärme Weidach“ wird gemeinsam von den Stadtwerken Bregenz, dem Energieversorger Illwerke sowie der Gemeinde Wolfurt realisiert. Ein weiteres Projekt ist die thermische Nutzung des Bodenseewassers mittels Wärmepumpen und Free Cooling für die Wärme- und Kälteversorgung des neuen Bregenzer Hallenbads, des Festspielhauses und von Teilen der Innenstadt. In Umsetzung ist auch die Ausarbeitung eines umfassenden Wärmeplans in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Bregenz, dem Klimabeirat und dem Land Vorarlberg.
GRATWEIN-STRASSENGEL
Aufbruch in die klimaneutrale Zukunft
Die Marktgemeinde Gratwein-Straßengel gehört mit ihren vier teils städtisch, teils ländlich geprägten Ortsteilen und fast 13.000 Einwohner:innen zu den größten Gemeinden der Steiermark. Gratwein-Straßengel ist Mitglied in der Klima- und Energiemodellregion „Grat²“ 1 und hat in der Vergangenheit bereits einzelne Mobilitäts- und Klimaschutzprojekte umgesetzt. Aktuell arbeitet die Gemeinde als Pionierstadt daran, einen gemeinsamen Fahrplan für die Klimapolitik mit Zielen, Bedarfsanalysen und konkreten Maßnahmen zu entwickeln. Schnell wurde erkannt, dass es für die Planung und Umsetzung zusätzliche personelle Ressourcen braucht und so hat die Gemeinde frühzeitig eine eigene „Stabsstelle für Nachhaltigkeit“ eingerichtet.
1 www.gratquadrat.at
Klimaneutralität beinhaltet im Rahmen des Pionierstadt-Projekts die Themen Quartiere und Gebäude, Mobilität und Energie. Im Sinne einer klimaaktiven Siedlungsentwicklung setzt die Marktgemeinde auf die nachhaltige Sanierung und Weiterentwicklung von Bestandsquartieren. Ein Projektantrag für die Planung eines klimaneutralen Bildungscampus, der den Aus- und Zubau einer bestehenden Volksschule zu einer 12-klassigen Ganztagsschule umfasst, ist gerade in Ausarbeitung. Dabei werden auch gemeindeeigene Gebäude in der näheren Umgebung energietechnisch betrachtet und Möglichkeiten zur Renaturierung und Entsiegelung ausgelotet. „Wir stehen ja erst am Anfang, aber es tut sich sehr viel, z. B. im Bereich Energie“, berichtet die Bürgermeisterin Doris Dirnberger. „Drei private Energiegemeinschaften gibt es bei uns schon und wir als Gemeinde überlegen, selbst eine Energiegemeinschaft zu gründen.“ Im Bereich Mobilität liegt der Fokus auf dem Grundprinzip „Vermeiden, Verlagern und Verbessern“. Wichtige Ansatzpunkte sind hier die KFZ-Verkehrsberuhigung sowie die Förderung des Fuß- und Radverkehrs, der E-Mobilität und eines multimodalen Mobilitätsverhaltens.
STEYR
Aktiv für Klimaneutralität 2040
Die Stadt Steyr hat bereits im Juli dieses Jahres einen Klimaneutralitätsfahrplan im Gemeinderat beschlossen. Das Zielbild, die Strategie sowie zahlreiche konkrete Maßnahmen für Klimaneutralität bis 2040 wurden in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Akteur:innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Bürger:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen entwickelt. Begleitet wurde der Prozess von PlanSinn und dem Ingenieurbüro e7, das auch eine Ausgangsbilanz für die Stadt basierend auf den aktuellen Energieverbrauchsdaten erstellte. Die Stadt betrachtet Klimaneutralität als Querschnittsthema, das in jeder Magistratsabteilung verankert werden soll. Es wurden u. a. vier moderierte Workshops durchgeführt und ein umfangreicher Maßnahmenkoffer erarbeitet, auf den die verschiedenen Fachabteilungen in Zukunft zugreifen können. Zusätzliches Personal konnte mit Unterstützung einer RE-START Förderung vom AMS aufgebaut werden. Für die Koordinierung sowie die interne und externe Kommunikation des Themas „Klimaneutralität 2040“ wurde ein neuer Mitarbeiter eingestellt.
Chancen nutzen
Um die ambitionierten Projekte rasch umsetzen zu können, nutzt Steyr aktiv unterschiedliche Fördermöglichkeiten. Für die Elektrifizierung der städtischen Buslinien hat die Stadt eine Förderung aus dem Programm „Emissionsfreie Busse und Infrastruktur“ (EBIN)2 des Bundes erhalten. Mit Hilfe dieser Unterstützung sollen in diesem und im kommenden Jahr insgesamt elf E-Busse (die Hälfte der aktuellen Flotte) angeschafft sowie die passende Ladeinfrastruktur eingerichtet werden. Auch für die Dekarbonisierung des städtischen Fuhrparks hat die Stadt ein Projekt eingereicht und den Zuschlag für eine ENIN-Förderung3 erhalten. Damit können Schritt für Schritt kleine LKW, Einsatzfahrzeuge und sonstige kommunale Dienstfahrzeuge durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. „Wir haben glücklicherweise einen Finanz-direktor, der laufend auf der Suche nach Förderquellen ist und so konnten wir z. B. mit Unterstützung aus dem kommunalen Investitionsprogramm (KIP) des Bundes die gesamte öffentliche Beleuchtung in Steyr auf LEDs umstellen“, berichtet Katrin Auer, Stadträtin für Umweltschutz. „Ein weiteres wichtiges Projekt ist eine Machbarkeitsstudie für Geothermie. Auch bei diesem Thema sind wir aktiv dabei.“
2 www.ffg.at/EBIN
3 www.ffg.at/ENIN