Vor dem Hintergrund der Energiewende stellt sich die Frage nach einer optimalen, ressourceneffizienten Verwertung von land- und forstwirtschaftlicher Biomasse, organischen Reststoffen sowie neuen Rohstoffen wie z. B. Algen. Mit Hilfe moderner Technologien wird feste, flüssige oder gasförmige Biomasse heute sowohl zur Gewinnung von Wärme und elektrischer Energie als auch zur Herstellung synthetischer Biokraftstoffe oder von Wasserstoff genutzt.
Darüber hinaus bestehen viele stoffliche Nutzungsmöglichkeiten. Aufgrund der chemischen Ähnlichkeit von Biomasse und fossilen Rohstoffen können aus ihr im Prinzip die gleichen Produkte wie aus Erdöl, Erdgas und Kohle hergestellt werden. Unter einer biobasierten Industrie versteht man die Produktion von materiellen Gütern (Produkten) aus Biomasse. Man unterscheidet zwischen konventionellen biobasierten Produkten, wie z. B. Papier oder Lebensmittel und neuen biobasierten Produkten, bei deren Herstellung die bisher verwendeten fossilen Rohstoffe durch biogene Materialien ersetzt werden.
Biogene Rohstoffe können in vielen Industriezweigen bei der Erzeugung von Produkten und Materialien zum Einsatz kommen. Dazu zählen u. a. Chemikalien, Pharmazeutika, Verbundstoffe, Biopolymere, Bau- und Dämmstoffe sowie eine Vielzahl biobasierter Spezialprodukte. Langfristige Zielsetzung muss es sein, regional angepasste Biomassebewirtschaftungskonzepte zu entwickeln, die mit dem geringstmöglichen Ressourceneinsatz den größtmöglichen energetischen und stofflichen Nutzen gewährleisten.
Ein zukunftsweisendes Konzept zur effizienten Verwertung biogener Rohstoffe ist die kaskadische Nutzung von Biomasse. Dabei wird die Biomasse zuerst in verschiedenen Verarbeitungsschritten stofflich aufbereitet und erst darauf folgend energetisch genutzt. In einer „Bioraffinerie“ wird Biomasse unter Einsatz unterschiedlicher Technologien zu einer Vielzahl von marktfähigen Produkten verarbeitet. Die Nutzung heimischer Biomasse hat sowohl ökologisch als auch ökonomisch große Vorteile. Sie kann dazu beitragen, Umweltbelastungen zu reduzieren, die Importabhängigkeit von nicht erneuerbaren Rohstoffen zu verringern und die regionale Wertschöpfung zu erhöhen. In diesem Heft stellen wir einige Beispiele aus nationalen und internationalen F & E-Aktivitäten zu diesem Thema vor.
Österreichische Stärkefelder der biobasierten Industrie
Im Rahmen einer 2016 veröffentlichten Studie der ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) und des AIT (Austrian Institute of Technology) wurde der aktuelle Status quo der biobasierten Industrie in Österreich analysiert. Identifiziert wurden Patentanmeldungen in einzelnen Technologiefeldern der biobasierten Industrie, die im weiteren geografisch auf Länderebene verortet und mit den anderen europäischen Ländern verglichen wurden. In Summe konnten 2.028 IPC (International Patent Classification)-Codes als für die biobasierte Industrie (BBI) relevant identifiziert werden. Diese lassen sich acht Technologiefeldern zuordnen.
Insgesamt hatte Österreich im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2014 eine durchschnittliche Spezialisierung in den BBI-Bereichen. In einigen Technologiefeldern z. B. in der Textil- und Zellulose-Industrie zeigte sich eine sehr hohe Spezialisierung. In diesem Sektor gab es in Österreich doppelt so viele Patentanmeldungen im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern. Überdurchschnittlich zeigten sich auch die Bereiche Bau- und Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, Papiermaschinen und Zubehör, Polysaccharide, Papier, Stärke sowie biobasierte Spezialprodukte und Herstellungsverfahren.