Ein neuer Ansatz zur Nutzung von Kohlendioxid ist das Recycling von CO2 im Rahmen von biotechnologischen Prozessen. Dabei wird Kohlendioxid aus Abgasen gezielt einem pflanzlichen Produktionszyklus zugeführt und durch Photosynthese zu Biomasse umgewandelt. Im Projekt „CO2USE“ wurde die Bindung von Kohlendioxid in biotechnologischen Prozessen erforscht. Ziel war es, ein neuartiges, nachhaltiges und umweltfreundliches Verfahren zur Produktion von Biokunststoff zu entwickeln. Das Projekt wurde von der EVN AG in Kooperation mit ANDRITZ AG sowie mehreren Forschungspartnern (Universität für Bodenkultur Wien, Technische Universität Graz, JOANNEUM Research Forschungsgesellschaft, Czech Academy of Science) durchgeführt.
Das innovative Konzept
Zunächst wurde die Nutzung von aufgereinigtem, aus Rauchgas gewonnenem CO2 zur Zucht photoautotropher Mikroorganismen (Cyanobakterien, Purpurbakterien und Mikroalgen) untersucht. Cyanobakterien sind Mikroorganismen, die überall in natürlichen Gewässern vorkommen und besonders gute CO2-Bindeeigenschaften haben. Das abgeschiedene CO2 wird in einen speziellen Bioreaktor mit Mikroorganismen geleitet. Mit Sonnenlicht und Wasser wandeln diese das CO2 um, d. h. sie legen je nach Nährstoffangebot Energiespeicher in Form von Polyhydroxybuttersäure (PHB) an. Man kann diese Eigenschaft mit der Fettproduktion beim Menschen vergleichen. PHB ist ein Biokunststoff, der dem weit verbreiteten fossilen Kunststoff Polypropylen (PP) sehr ähnlich ist. Daher kann PHB als Rohstoff (meist in sogenannten Blends vermischt mit anderen Biokunststoffen) für zahlreiche Anwendungen (z. B. als Gehäuse- oder Verpackungsmaterial oder als Kunststoff im Automobilbau) verwendet werden. Am Kraftwerk Dürnrohr in Niederösterreich betreibt die EVN seit 2011 gemeinsam mit ANDRITZ eine CO2-Abscheideanlage zu Forschungszwecken. Die Planung und der Aufbau des Photo-bioreaktors an diesem Standort erfolgten in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur.
Nachhaltiger Stoffkreislauf
Neben der Etablierung einer konstanten und stabilen PHB-Produktion aus Mikroorganismen war es eine wichtige Zielsetzung, einen geschlossenen Stoffkreislauf zu schaffen. Die Restbiomasse der Cyanobakterien wird nach der Wertstoffgewinnung in einem anaeroben Prozess zu Biogas umgewandelt, das für den Gesamtprozess und darüber hinaus zur Verfügung steht. Die freigesetzten Nährstoffe werden in die Kultivierung der photoautotrophen Mikroorganismen rückgeführt. Die Abwässer werden aufbereitet. Das komplexe Ineinandergreifen dieser Abläufe war ein zentrales Anliegen des Projektteams.
Ökobilanz des Gesamtprozesses
Die ökologische Bewertung verschiedener Konzepte zur PHB-Produktion zeigte, dass unter günstigen Bedingungen, wie z. B. bei Optimierung des Energiebedarfs für Kultivierung und Ernte, einer hohen Zellkonzentration und der Deckung des Hilfsenergiebedarfs mit erneuerbarer Energie und Abwärme, eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen von bis zu 75 % im Vergleich zum konventionellen Referenzsystem (Polypropylen-Produktion) möglich ist. Beim kumulierten fossilen Primärenergiebedarf könnte unter solchen Voraussetzungen eine Reduktion von bis zu 85 % erreicht werden.
„Das Forschungsprojekt CO2USE verifiziert, dass man mit CO2 aus Abgasen mit Hilfe von biotechnologischen Verfahren umweltfreundlich Biokunststoff erzeugen kann.“
Dr. Guenter Gronald
KAP Air Pollution Control
Director Engineering, ANDRITZ AG
Folgeprojekt CO2USE+EPP
Die Produktion von Biokunststoff (PHB) aus CO2-haltigen Abgasen mittels photoautotropher Cyanobakterien ist ein vielversprechendes Konzept. PHB ist ungiftig, wird biologisch ohne schädliche Rückstände abgebaut und hat das Potenzial, hochwertige fossile Kunststoffe zu ersetzen. Das neuartige Produktionsverfahren verbraucht keine landwirtschaftlich wertvollen Flächen, kein Trinkwasser und keine Düngemittel. Um den Prozess wirtschaftlich interessant zu gestalten, muss die PHB-Menge allerdings von derzeit 5-10 % auf 30-40 % der Zellmasse erhöht werden.
Im Folgeprojekt CO2USE+EPP (Enhanced Plastics Production) untersucht das Projektteam verschiedene Methoden zur Verbesserung der Bakterienstämme und zur Produktivitätssteigerung. Zusätzlich werden kostengünstige CO2-Quellen, wie Abgase aus kalorischen Kraftwerken, bzw. aus Biomasseverbrennungskraftwerken und Gärgase aus Bioethanolanlagen zur Anzucht von Cyanobakterien in einer Pilotanlage untersucht.