Wasserkraft ist eine wesentliche Säule der heimischen Energieversorgung. Rund 60 Prozent des in Österreich produzierten Stroms kommen aus Wasserkraftwerken. Einige hundert größere und tausende kleinere Wasserkraftwerke sind aktuell in Betrieb – manche von ihnen bereits seit mehr als 40 Jahren. Wasserkraftanlagen wurden aufgrund des hohen Investitionsaufwands für sehr lange Lebensdauern geplant und ausgelegt. Das hohe Alter vieler Anlagen ist ein wesentlicher Faktor, warum die Digitalisierung in der Wasserkraft nur langsam voranschreitet. Das Projekt DIGI-Hydro hat das Ziel, die Forschung zum Thema Digitalisierung der Wasserskraft voranzutreiben und damit die Basis für die Entwicklung von neuen Konzepten in Richtung digitaler Betrieb und automatische Zustandsbeurteilung von Wasserkraftanlagen zu legen.
Versorgungssicherheit in Zukunft
Die Energiewende führt zu großen Veränderungen am Strommarkt und stellt den Betrieb von Stromerzeugungsanlagen vor neue Herausforderungen. Die wachsende Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne führt zu stärkeren Schwankungen im Stromnetz. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen diese ausgeglichen werden. Wasserkraftwerke wurden ursprünglich für eine konstante Energieversorgung konzipiert, d. h. für die Arbeit in einem effizienten Betriebsmodus, in dem der Verschleiß von Maschinenteilen möglichst gering ist. Werden Wasserkraftanlagen in Zukunft vermehrt zur Netzregulierung eingesetzt, hat das zur Folge, dass diese häufiger in suboptimalen Betriebszuständen betrieben werden, für die sie nicht geplant und gebaut wurden. Die Auswirkungen der geänderten Betriebsbedingungen auf den Betrieb und die Lebenserwartung der Anlagen sind dadurch zu einem wichtigen Forschungsthema geworden.
Digitalisierung in der Wasserkraft
Ein interdisziplinäres Team unter der Leitung des Instituts für Energietechnik und Thermodynamik an der TU Wien1 erforscht im Projekt DIGI-Hydro die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie von Wasserkraftanlagen. Ziel ist es, eine datenbasierte Lebensdauervorhersage von Wasserturbinen, also der mechanischen Teile der Anlage, zu ermöglichen. Dabei werden folgende Arbeitspakete umgesetzt:
> Konzept zur sensorbasierten Überwachung von Wasserkraftanlagen
Es ist derzeit unbekannt, welche Sensoren sich für automatische Zustandsbeurteilungen von Wasserkraftanlagen eignen. Weiters gilt es zu untersuchen, in welchem Detailgrad die Daten vorliegen müssen, und welche Datenmengen dabei zu erwarten sind.
> Neue Methoden zur Datenspeicherung und Datenanalyse
Die zu erwartende Datenmenge aus den geplanten Messungen ist sehr hoch. Daraus ergeben sich Fragen zu einer effizienten Speicherung und anschließenden Analyse der Daten.
> Plattform zur automatisierten Zustandsbeurteilung
Im Projekt werden die Erkenntnisse aus umfangreichen Messungen und Datenanalysen dazu verwendet, Modelle für die automatisierte, datengetriebene Zustandsbeurteilung von Wasserkraftanlagen zu entwickeln.
Messaufbau und Sensorinstallation
Ein wesentlicher Teil von DIGI-Hydro ist die Installation von Messsensoren in aktiv betriebenen Wasserkraftanlagen. Nach Tests in Laboreinrichtungen der TU Wien wurden erste Sensormessungen an einer aktiven Anlage in Österreich gestartet. Die laufenden Messungen liefern über ein halbes Jahr konstant Daten zum Betrieb der Anlage. Parallel dazu werden Datenspeichertechniken und Analysealgorithmen erprobt, um die großen Datenmengen analysieren zu können.
„Wir haben zwar Ressourcen und Fachwissen für das Durchführen von Sensormessungen, aber wir brauchen neue Methoden zur Datenspeicherung, Datenzusammenführung, Visualisierung und Validierung. Nur so können wir herausfinden, wie ein digitalisierter, datengetriebener Betrieb einer Anlage möglich ist. In Zukunft wird uns das helfen die vorhandenen Ressourcen besser und auch länger nutzen zu können.“
DI Dr. Eduard DOUJAK
Institut für Energietechnik und Thermodynamik, TU Wien
Neue Erkenntnisse
Eine automatisierte Zustandsbewertung, zusammen mit einem datenbasierten Zugang zur Remote-Überwachung, ist ein neuer Zugang in Richtung eines digitalen Zwillings von Wasserkraftwerken. Das Projekt DIGI-Hydro ermöglicht die Entwicklung einer Strategie zur Datenerhebung und Analyse von Echtzeitdaten für Wasserkraftanlagen. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Digitalisierung der Wasserkraft geleistet.
www.digi-hydro.com
1 Projektpartner: Institut für Energietechnik und Thermodynamik an der TU Wien (Projektleitung), VRVis Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung Forschungs-GmbH, HAKOM Time Series GmbH und VibroConcept GmbH.