Die Industrie zählt weltweit zu den Sektoren mit großem Energieverbrauch und hohen klimaschädlichen Emissionen. Auch in Österreich ist der Industriesektor für rund 30 % des Energieverbrauchs verantwortlich. Um Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, müssen die prozessbedingten Treibhausgasemissionen der Industrie stark reduziert werden. Mit Hilfe neuer Technologien und Verfahren wird die Energieeffizienz in industriellen Prozessen laufend verbessert. Ziel ist es zunehmend, erneuerbare Energie in die Produktion zu integrieren und den Energiebedarf von industriellen Anlagen mit der Energieversorgung aus fluktuierenden, erneuerbaren Quellen abzustimmen.
Im Rahmen des IEA-Technologieprogramms Industrielle Energietechnologien und Systeme (IETS TCP) wird die internationale Zusammenarbeit industrierelevanter Forschungsdisziplinen forciert, um die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben. Im Zentrum stehen der Informations- und Wissenstransfer zwischen ExpertInnen aus Industrie, Wissenschaft und Politik sowie die Vernetzung innerhalb von Industriesektoren und zu Querschnittstechnologien.
Chancen durch den digitalen Wandel
Ein wichtiges Forschungsthema sind die Einsatzmöglichkeiten und Chancen digitaler Technologien in der Industrie. Digitalisierungsmaßnahmen können dazu beitragen, die Produktivität und Flexibilität industrieller Prozesse zu verbessern sowie Effizienzsteigerungen, Kostenreduktionen und Energieeinsparungen zu erzielen und vermehrt erneuerbare Energie einzubinden. Das Projekt IEA IETS Annex 18 wurde 2018 gestartet, um den Einsatz von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und verwandter Technologien in der Industrie zu erforschen. Dazu wird ein internationales Netzwerk aus WissenschaftlerInnen, Forschungslabors, IT-Anbietern und Akteuren der Prozessindustrie aufgebaut sowie eine Informationsinfrastruktur zum Wissens- und Datenaustausch geschaffen. Die Aktivitäten sollen dazu beitragen, den Energieverbrauch und die klimaschädlichen Emissionen in der energieintensiven Industrie zu reduzieren. Österreich ist aktives Mitglied in dieser internationalen Forschungskooperation.
https://iea-industry.org/annexes/digitalization-artificial-intelligence-and-related-technologies-for-energy-efficiency-and-ghg-emissions-reduction-in-industry/
www.energieforschung.at/projekte/1040/iea-iets-annex-xviii-digitalisierung-kuenstliche-intelligenz-und-verwandte-technologien-fuer-energieeffizienz-und-thg-emissionsreduktionen-in-der-industrie-task-1-assessment-study
EDCSproof – Energy Demand Control System
Die Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz führt zu einem zunehmend schwankenden Angebot, das insbesondere in der energieintensiven Industrie immer flexiblere Verbraucher erfordert. Heutige Produktionsprozesse sind oft nicht für einen flexiblen Betrieb ausgelegt. Die meisten industriellen Energieversorgungssysteme nutzen konventionelle Automatisierungs- und Prozessleitsysteme. Elektrische und thermische Speicher und Energieumwandlungskomponenten (Power-to-Heat, Wärmepumpen zur Abwärmenutzung) kommen bisher nur vereinzelt zum Einsatz. Dies hat zur Folge, dass diese Systeme in Hinblick auf CO2-Emissionen, Maximierung des Eigenverbrauchs erneuerbarer Energien und Betriebskosten nicht optimal betrieben werden. Abwärmemengen, die aus technischer Sicht von Hochtemperatur-Wärmepumpen für bis zu 150 °C verwendet werden könnten, bleiben oft ungenutzt.
Im Projekt EDCSproof* wird ein Zukunftskonzept entwickelt, das die Dekarbonisierung industrieller Energieversorgungssysteme durch Digitalisierung ermöglichen soll. Schwerpunkt ist die online, prädiktive und ganzheitliche, rekonfigurierbare Regelung der Energieversorgung. Damit werden folgende Ziele verfolgt:
> Integration erneuerbarer Energien durch den Einsatz von (thermischen) Energiespeichern
> Effizienzsteigerung durch optimale Regelung des Gesamtsystems
> Abwärmenutzung durch den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen
> Teilnahme als flexibler Verbraucher am Stromnetz (Demand Side Management unter Berücksichtigung dynamischer Tarife)
Anhand der Energiesysteme sowie der Produktions- und Betriebsdaten von drei realen Industriestandorten der österreichischen Unternehmen Wiesbauer und Fischer Brot wird ein Referenzenergiesystem abgeleitet, das die Nutzung von Energiespeichern und den Einsatz von Wärmepumpen vorsieht. Das Konzept wird im Labor optimiert. Skalierbarkeit und Einsatzmöglichkeiten für verschiedene Industriezweige werden in einer technisch-ökonomischen und ökologischen Bewertung abgesteckt. Projektziel ist ein breit anwendbares, branchenübergreifendes Energiekonzept, das an den Standorten der Projektpartner umgesetzt werden soll und auf eine große Mehrheit der österreichischen Industriebetriebe anwendbar sein wird.
www.nefi.at/edcsproof/
* Projektpartner: AIT Austrian Institute of Technology GmbH / Center for Energy (Projektleitung), TU Wien/Institut für Energietechnik und Thermodynamik/Institut für Mechanik und Mechatronik, Montanuniversität Leoben/Lehrstuhl für Energieverbundtechnik, Wiesbauer Holding AG (Wien), Wiesbauer Gourmet (Reidling, NÖ), Fischer Brot GmbH (Linz, OÖ), ILF Consulting Engineers Austria GmbH, evon GmbH, kleinkraft OG
Das Projekt wird im Rahmen der Vorzeigeregion NEFI New Energy for Industry durchgeführt.