Dezentralisierung, Digitalisierung und Demokratisierung sind wesentliche Bausteine, um die Transformation des Energie-systems in Richtung klimaneutrale Energieversorgung erfolgreich fortzusetzen. In Energiegemeinschaften kommen alle diese Aspekte zum Tragen. Energiegemeinschaften schaffen neue Möglichkeiten für Bürger:innen, aktiv an der Energiewende mitzuwirken, indem sie gemeinschaftlich Energie produzieren, verbrauchen und handeln können.
Europäische und nationale Rahmenbedingungen
Mit dem „Clean Energy for all Europeans Package“ (CEP)1 hat die Europäische Union einen gesetzlichen Rahmen geschaffen, der die Aktivitäten und Rechte von Verbraucher:innen sowie Gemeinschaften im Energiesektor auf der lokalen Ebene stärkt. Ziel ist es, dass sich die Bürger:innen in innovativen Geschäftsfeldern wie u. a. Peer-to-Peer Energy Trading, Energy Sharing und Flexibilitätshandel am Energiemarkt einbringen und auch finanziell profitieren können. Die nationalen Klimaziele sehen vor, die Stromversorgung Österreichs bis 2030 auf 100 Prozent Strom (bilanziell) aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen und bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem EAG (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket)2 wurden 2021 wichtige Vorgaben der EU in Österreich umgesetzt. Die Möglichkeit, Energiegemeinschaften zu gründen, ist ein zentraler Teil davon. Energiegemeinschaften stellen einen neuen Meilenstein für die österreichische Energiewirtschaft dar. Sie ermöglichen die proaktive Teilnahme aller an der Energiewende, forcieren den Ausbau von dezentralen Energiesystemen, bieten wirtschaftliche Anreize und stärken regionale Wertschöpfungsketten.
Zwei Modelle für Energiegemeinschaften
Die nationalen Gesetze definieren zwei Energiegemeinschafts-Modelle: die lokal beschränkte „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft“ (EEG) und die innerhalb Österreichs geografisch unbeschränkte „Bürgerenergiegemeinschaft“ (BEG). Eine EEG darf Energie (Strom und Wärme) gemeinsam über Grundstücksgrenzen hinweg aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Mitglieder oder Gesellschafter:innen von EEGs können Privat- oder Rechtspersonen sein, Gemeinden, lokale Behörden oder auch KMUs. Der Hauptzweck der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften liegt nicht im finanziellen Gewinn, im Vordergrund stehen der regionale Nutzen und die Vorteile für die Mitglieder. Im Gegensatz zur EEG darf die BEG nur elektrische Energie erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Sie ist nicht auf erneuerbare Quellen beschränkt und kann sich über die Konzessionsgebiete mehrerer Netzbetreiber in ganz Österreich erstrecken. Auch in BEGs können die Mitglieder bzw. Gesellschafter:innen Privat- und/oder Rechtspersonen sein. Hier können auch Großunternehmen teilnehmen, diese dürfen aber keine Kontrolle ausüben. Es gilt in gleicher Weise, dass die Gewinnerzielung nicht im Vordergrund stehen darf.
Seit dem Beschluss des EAGs im Jahr 2021 wurden in Österreich mehr als 100 Energiegemeinschaften gegründet. Weitere 290 EEGs und 10 BEGs sind in Planung (Stand 2/2023).
Die unabhängige Servicestelle bietet auf ihrer Website alle wichtigen Informationen, Unterlagen und Kontaktadressen rund um das Thema Energiegemeinschaften. Die Koordinationsstelle arbeitet eng mit den Energieagenturen und -instituten in den Bundesländern zusammen, die Beratung vor Ort in der Region anbieten. Das Angebot wird laufend ausgebaut und mit aktuellen Fakten, Tools und Videos ergänzt.
www.energiegemeinschaften.gv.at
„Damit Energiegemeinschaften optimal funktionieren, braucht es passende Energiemanagementsysteme, mit denen Erzeugung und Verbrauch erneuerbarer Energie effizient und bedarfsgerecht gesteuert werden können. Hier sehe ich noch Forschungsbedarf, im Bereich Lastmanagement und auch bei der Energiespeicherung. Ein wichtiges Thema insbesondere für Gemeinden ist die Versorgungssicherheit, hier gibt es Bedarf an technischen Lösungen, um beispielsweise im Fall eines Blackouts einzelne Gebäude autark betreiben zu können.“
Ing. Mag. Eva Dvorak, MBA
Leitung Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften
Innovationen für das Energiesystem von morgen
Um das Thema Energiegemeinschaften noch mehr in die Breite zu bringen, braucht es Vorbilder und Best-Practice-Beispiele. Forschung und Technologieentwicklung sowie neue digitale Lösungen können dazu beitragen, die Optimierung, Weiterentwicklung und erfolgreiche Umsetzung von Energiegemeinschaften voranzutreiben und eine neue Dynamik für die dezentrale Energiewende anzustoßen. Kerntechnologien für die Einsatzfelder in Energiegemeinschaften sind u. a. intelligente Mess- und Steuerungssysteme, digitale Plattformen, Datenmanagementsysteme oder Blockchain-Technologien. Neben dem Teilen von Energie werden zunehmend weitere Funktionalitäten für Energiegemeinschaften mitgedacht und integriert. FTI-Projekte beschäftigen sich u. a. mit effizienten Energiemanagementsystemen, Speichertechnologien, Konzepten zur Sektorkopplung (Strom, Wärme und E-Mobilität) oder dem netzdienlichen Betrieb von Energiegemeinschaften. Mit der Einbindung von Speichern kann der Eigenversorgungsgrad der Energiegemeinschaft erhöht werden, gleichzeitig dienen Speicher der Sicherheit im Falle eines Blackouts. Durch die gezielte Steuerung von Erzeugung und Verbrauch entsteht für Energiegemeinschaften die Möglichkeit, Flexibilitäten am Energiemarkt anzubieten und so zur Systemstabilität des Stromnetzes beizutragen. Die Digitalisierung ist dabei eine Grundvoraussetzung und liefert die Basis für eine optimierte Betriebsweise von Energiegemeinschaften sowie neue, wirtschaftlich attraktive Geschäftsmodelle.
In dieser Ausgabe stellen wir einige FTI-Projekte aus Österreich vor, die neue (digitale) Technologien, Konzepte und Lösungen für Energiegemeinschaften entwickeln und damit einen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende leisten.
1 energy.ec.europa.eu/topics/energy-strategy/clean-energy-all-europeans-package_en
2 oesterreich.gv.at/Gesetzliche-Neuerungen/archiv-bgbl-2021/eag-paket.htmlen