EXPERTENINTERVIEW
Univ.Prof. DI Dr.techn. Gerald Goger / TU Wien, Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement

Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Gerald Goger TU Wien, Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Foto: TU Wien
Foto: TU Wien

Sie erforschen die datenbasierte Modellierung, Simulation und Optimierung von Bauprozessen. Welche Prozessschritte bei der Planung und Errichtung von Gebäuden profitieren besonders von der Digitalisierung?
Die Planung profitiert insbesondere durch die bessere Koordination der Fachgewerke und die Möglichkeit, Konflikte an deren Schnittstellen frühzeitig in digitalen Gebäudemodellen zu lösen. Die detaillierten Gebäudemodelle tragen aber nicht nur zur Konfliktlösung im Planungsprozess und später bei der Errichtung bei, sondern ermöglichen eine Simulation des gesamten Lebenszyklus. Dies lässt nicht zuletzt eine entscheidende Energieoptimierung von Gebäuden zu. In der Ausführungsphase sehe ich in erster Linie den Vorteil, dass durch die Digitalisierung ein optimierter Ressourceneinsatz, eine durchgeplante Prozesskette und eine transparente Dokumentation und höhere Ausführungsqualität möglich sind.
 
Wie wird sich die Digitalisierung auf den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden auswirken?
Durch die Digitalisierung können der Betrieb und unterschiedliche Nutzungskonzepte bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden. Dadurch ist eine Lebenszyklusoptimierung von Gebäuden möglich. Der Einsatz von Sensoren, deren Verknüpfung mit einer durchgängigen Datenbank und Analyse führt im Betrieb zu „Predictive Maintenance“, also der vorausschauenden Wartung. Diese sehe ich als Schlüsselinnovation im Gebäudebetrieb. Die kontinuierliche Messung und Auswertung von Daten gewährleisten eine Prognose der Restlebensdauer von technischen Einrichtungen. Kritische Betriebsparameter werden in KPIs (Leistungskennzahlen) dargestellt und dienen als Entscheidungshilfe für die Festlegung optimaler Wartungszeitpunkte und Betriebszustände. 
 
Was sind die größten Herausforderungen bei der schrittweisen Umsetzung der Digitalisierung von Bauprojekten?
Als derzeitige Hemmnisse der Digitalisierung sehe ich – neben fehlender Standardisierung im Bereich von Softwarelösungen und offenen Schnittstellenproblemen beim Datenaustausch – das langwierige Aufbrechen tradierter Denkweisen und das teilweise fehlende Bekenntnis zur kooperativen Projektabwicklung. Darüber hinaus zeigt sich, dass der Nutzen von disruptiven Innovationen kurzfristig schwer quantifizierbar ist. Aus Studien wissen wir aber, dass sich beispielsweise digitale Teillösungen für Dokumentationsprozesse bereits nach kurzer Zeit amortisieren. Daraus schließen wir, dass interdisziplinäre Forschungsbemühungen länger andauernde Implementierungs- und Finanzierungszeiträume brauchen.