Impulsfahrzeuge bei 2D-Seismik-Messungen im Raum Wien und Groß-Enzersdorf, Foto: Wien Energie/Christian Hofer

Impulsfahrzeuge bei 2D-Seismik-Messungen im Raum Wien und Groß-Enzersdorf, Foto: Wien Energie/Christian Hofer

GeoTief
Erforschung der Geothermiepotenziale im Wiener Becken

Im Projekt GeoTief, das von Wien Energie in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern aus Wissenschaft, Forschung und Industrie1 durchgeführt wird, geht es um die systematische Erforschung und Vermessung des geologischen Untergrunds im Wiener Becken. GeoTief ist das größte Geologie-Forschungsprojekt Österreichs und gilt europaweit als Vorzeigebeispiel für integrierte Forschung in dieser Branche. Ziel ist es, die Potenziale der Tiefengeothermie für die Wärmeversorgung des Großraums Wiens zu quantifizieren und damit eine Entscheidungsgrundlage für Wärmeprojekte der Zukunft zu schaffen. Hydrothermale Geothermie, also die Nutzung von tiefen Heißwasservorkommen, stellt eine lokale, erneuerbare und umweltfreundliche Wärmeenergiequelle dar und steht als grundlastfähiger Einspeiser für Fernwärmenetze zur Verfügung. Die hydrothermale Geothermie wird in den Strategiekonzepten der Stadt Wien (z. B. in der Energierahmenstrategie 20302) als wichtige nachhaltige Zukunftstechnologie erkannt.

Potenzial für die Wärmeversorgung

Dem Wiener Becken wird ein Anteil von 40 % bis 60 % an der geschätzten Anwendungskapazität dieser Energieform in Österreich (450 MW bis 700 MW thermisch) zugeschrieben3. Zugleich weist der Ballungsraum Wien eines der größten Fernwärmenetze Europas auf. Die Geothermie könnte eine wichtige Rolle dabei spielen, den Anteil an erneuerbarer Energie in der Fernwärmeversorgung weiter zu erhöhen und das bestehende Wiener Fernwärmenetz noch effizienter und nachhaltiger zu machen. Wien Energie hat sich das Ziel gesetzt, 140 MW Geothermie bis zum Jahr 2030 zu installieren. Damit könnten 135.000 Haushalte versorgt und bis zu 260.000 t CO2 pro Jahr eingespart werden. Das Projekt GeoTief schafft die wissenschaftliche Basis für dieses Vorhaben.

Seismische Messungen

Der wesentliche Kern des Projekts ist die Umsetzung von seismischen Messungen in zwei Phasen. Im Rahmen des Projekts GeoTief BASE (2D) wurden 2017 erstmals in Österreich im dicht bebauten Stadtgebiet seismische 2D-Messungen für die detaillierte Erkundung des tiefen Untergrunds durchgeführt. Darauf aufbauend erfolgte im Herbst 2018 im Folgeprojekt GeoTief EXPLORE (3D) eine flächendeckende 3D-Seismik-Messung. Die Messungen fanden ausschließlich an der Erdoberfläche statt. Seismische Messungen werden seit Jahrzehnten weltweit durchgeführt, um die geologischen Strukturen und Gesteinsschichten im Untergrund zu erkunden. Die Reflexionsseismik ist ein Verfahren, das zur Beschreibung der Geometrien und Tiefenlagen von geologischen Schichtgrenzen im Erdinneren eingesetzt wird. Mit Seismik-Messungen kann der Untergrund, wie mit einem Echolot, untersucht werden. Entlang von Straßen und Wegen werden Schwingungen in die Tiefe gesandt. Das Signal wird im Untergrund reflektiert und von Sensoren, die in der Nähe der Messfahrzeuge ausgelegt sind, aufgezeichnet.

3D-Seismik Messungen, Abb.: Wien Energie/APA-Auftragsgrafik
3D-Seismik Messungen, Abb.: Wien Energie/APA-Auftragsgrafik

Auswertung der Daten

Aktuell wird das Datenmaterial aus den Seismik-Messungen von rund 50 Terabyte in einer zweijährigen Analysephase wissenschaftlich ausgewertet. Parallel dazu werden weitere Tests und Begutachtungen z. B. in alten Bohrlöchern oder an der Oberfläche durchgeführt. Die wasserführenden Gesteine im Untergrund Wiens sind ähnlich den Gesteinen, wie sie in den Kalkalpen im Süden Wiens (z. B. Hohe Wand) auftreten. Deshalb analysieren die Universität Wien, die Geologische Bundesanstalt und das deutsche Geoforschungszentrum GFZ Potsdam Gesteinsproben aus dem Gebirge und aus Steinbrüchen an der Oberfläche der Kalkalpen, um die Eigenschaften dieser Gesteine im Untergrund (z. B. ihre Wasserdurchlässigkeit) zu erforschen. Sämtliche Informationen und Daten fließen in ein geologisches 3D-Modell ein, das ein klares Abbild des Untergrunds gibt und die Identifikation und Analyse von potenziellen Thermalwasservorkommen (Lage, Ausbreitung, Mächtigkeit, etc. der potenziell wasserführenden Schichten) ermöglichen wird. Im Herbst 2021 soll das Modell präsentiert werden.
 
www.geotiefwien.at

Foto: Wien Energie/Stefan Joham
Foto: Wien Energie/Stefan Joham

„Wien Energie ist einer der größten Klimaschutz-Investoren. Wir investieren in den nächsten fünf Jahren eine halbe Milliarde Euro in den Ausbau von erneuerbaren Lösungen, bis 2030 nehmen wir uns 1,2 Mrd. Euro Investitionen in Klimaschutzprojekte vor. In der Wärmeversorgung liegt dabei ein wichtiger Hebel. 40 % der CO2-Emissionen kommen aus diesem Bereich. Deshalb setzt Wien Energie ganz massiv auf die zunehmende Dekarbonisierung der Fernwärme. Das größte Potenzial bieten dabei die Nutzung von vorhandener Abwärme und Geothermie.“
DI Mag. Michael Strebl
Vorsitzender der Geschäftsführung, Wien Energie

1 PROJEKTPARTNER: Wien Energie (Projektleitung), AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Geologische Bundesanstalt (GBA), Geo5, Heinemann Oil (HOL), Montanuniversität Leoben, OMV, RAG Austria AG, Universität Wien, Universität Salzburg, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG)
2 www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/energierahmenstrategie-2030.html
3 GeoEnergie 2050, www.energieforschung.at/projekte/700/potenzial-der-tiefengeothermie-fuer-die-fernwaerme-und-stromproduktion-in-oesterreich
 

 

  • Im gesamten Messgebiet sind Messsensoren – sogenannte Geophone – aufgebaut, welche für ca. 8 Wochen an Ort und Stelle liegen bleiben, Foto: Wien Energie/Christian Hofer
    Im gesamten Messgebiet sind Messsensoren – sogenannte Geophone – aufgebaut, welche für ca. 8 Wochen an Ort und Stelle liegen bleiben, Foto: Wien Energie/Christian Hofer