Grüner Wasserstoff – Baustein der Energiewende
Interview Wolfgang Anzengruber

 

Wolfgang Anzengruber Vorsitzender des Beirats der Hydrogen Partnership Austria, Foto: VERBUND/Vyhnalek
Wolfgang Anzengruber
Vorsitzender des Beirats der Hydrogen Partnership Austria, Foto: VERBUND/Vyhnalek

Grüner Wasserstoff gilt als einer der Hoffnungsträger im Kampf gegen die Klimakrise. Welche Rolle kann Wasserstoff aus Ihrer Sicht im zukünftigen Energiesystem spielen?
Grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein der Energiewende, weil er dazu geeignet ist, Probleme zu lösen, für die es sonst keine guten Alternativen gibt. Wasserstoff kann als Reduktionsmittel in der Eisenerzeugung genutzt werden, als Grundstoff in der Chemieindustrie, bei Hochtemperaturanwendungen oder der Spitzenlastabdeckung für Strom- und Wärmeerzeugung. Auch beim Transport über weite Strecken – etwa in der Schifffahrt oder beim Flugverkehr – wird Wasserstoff aus heutiger Sicht ein Schlüssel. In vielen Fällen wird Wasserstoff aber nicht direkt eingesetzt, sondern fungiert als Zwischenprodukt für die Erzeugung anderer Energieträger oder Grundstoffe, wie etwa Methanol, Ammoniak oder synthetisches Methan. Aktuell werden in Österreich bereits mehr als 130.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr genutzt. Dieser Wasserstoff – er wird hauptsächlich für die Produktion von Düngemitteln und in der Raffinerie eingesetzt – wird aber vollständig auf Basis von klimaschädlichem Erdgas hergestellt. Diese Mengen sind in den kommenden Jahren prioritär durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, neben dem Aufbau neuer Einsatzgebiete.
 
Welche Bedeutung haben Forschung- und Technologie­entwicklung? Wo liegen hier die Stärken in Österreich?
Da Wasserstoff zur Reduktion von Emissionen beitragen soll, muss er möglichst klimaneutral produziert werden. Für eine Tonne Wasserstoff mit einem Energieinhalt von 33 MWh sind rund 50 MWh elektrische Energie und über 9.000 Liter Wasser notwendig. Das heißt, ein Drittel der eingesetzten Energie geht bei der Herstellung verloren. Wird der Wasserstoff methanisiert oder in Kombination mit CO2 zu flüssigen Kraftstoffen synthetisiert, gibt es weitere Umwandlungsverluste. Diese Erzeugungsprozesse – wie auch die Speicherung und der Transport von Wasserstoff – sind ein wichtiges Feld der Technologieentwicklung. Entscheidend für schnelle Fortschritte ist auch, die vielen Anwendungen und Einsatzgebiete tatsächlich ins Feld zu bringen, in größeren Demoprojekten auszuprobieren. Österreich hat im Strombereich bereits einen hohen Erneuerbaren-Anteil, ist zentrale Energiespeicherregion, Knotenpunkt im Energietransport und beheimatet eine starke Industrie – ein optimales Testbed für eine Vielzahl an wichtigen Lösungen für die klimaneutrale Zukunft mit Wasserstoff und seinen Derivaten.
 
Was sind die größten Herausforderungen beim Aufbau einer österreichischen Wasserstoffwirtschaft?
Die heute vorhandene Gasinfrastruktur ist Produkt einer historischen Entwicklung von mehr als fünf Jahrzehnten. In den nächsten 20 Jahren muss sie grundlegend umgebaut und auf Wasserstoff und Biomethan umgerüstet werden – auch, was die Erzeugung, neue Partnerländer für Importe und den Einsatz von Wasserstoff betrifft. Die kurze Zeitspanne für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft erfordert proaktives und entschlossenes Handeln in einem höchst dynamischen Umfeld. Um bei diesem Wettlauf nicht ins Hintertreffen zu geraten ist ein gut koordiniertes und konstruktives Zusammenarbeiten aller Stakeholder entscheidend. Nicht nur innerhalb Österreichs, sondern auch über die Grenzen hinaus im Zusammenspiel mit europäischen und internationalen Partnern. Erzeugende, transportierende, speichernde und verbrauchende Akteure müssen – unterstützt von Förderungen und risikomindernden Rahmenbedingungen – gemeinsam vorgehen, um die kritische Hürde für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu überwinden. Dieser verbindende Spirit ist in Österreich zu spüren – und darauf müssen wir weiter aufbauen, auch als Hydrogen Partnership Austria (HyPA).