Die Modernisierung der klassischen Verteilnetzstrukturen bietet die Chance, Flexibilität und Versorgungssicherheit der Stromnetze mit Hilfe neuer Regelstrategien zu erhöhen. Die Implementierung von IKT sowie aktive Betriebsmittel, Elektromobilität und stationäre Speicher ermöglichen eine zunehmende Automatisierung des Netzbetriebs und die gezielte Beeinflussung von Erzeugungseinheiten und Verbrauchern. Am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien werden innovative Steuerungsmethoden für eine flexible und sichere Stromversorgung erforscht.
Im Projekt SORGLOS entwickeln ForscherInnen Methoden und Algorithmen, um in einzelnen Netzabschnitten (Microgrids) mittels vorhandener dezentraler Erzeuger und Speicher sowie installierter Smart Grid Technologien Blackout-Festigkeit zu erreichen. Dabei werden Schwarzstartfähigkeit, sichere Netztrennung bei einem Blackout, Regelung von Erzeugung, Beeinflussung von Lasten sowie Speicherbewirtschaftung und Unterstützung beim Netzwiederaufbau untersucht.
Die Basis bilden repräsentative ländliche und urbane Smart Grid Netzbereiche mit jeweils charakteristischen Erzeugungsstrukturen. Im ersten Schritt werden die einzelnen Komponenten der zu untersuchenden Netze modelliert. Für das ländliche Mittelspannungsnetz wird ein Pumpspeicherkraftwerk mit Francis-Turbine nachgebildet, das für die Versorgung bei einem Blackout sorgt. Für das kleinstädtische Niederspannungsnetz, das keine zusätzlichen Kraftwerke besitzt, wird ein dynamisches Modell eines Notstrom-Diesel-Aggregates erstellt, das die Versorgungssicherheit gewährleisten soll.
Die Funktionsweise der entwickelten Algorithmen wird mit realen Daten aus österreichischen Smart Grid Projekten (Großes Walsertal/Vorarlberg und Eberstalzell/Oberösterreich) in einer virtuellen Demonstration simuliert.
„Wir untersuchen Smart Grid Technologien, um die Aufnahmefähigkeit unserer Energieversorgungssysteme für dezentrale erneuerbare Energieträger möglichst ohne kostspieligen Netzausbau zu steigern. In Zukunft werden diese Technologien aber auch dazu beitragen, die gewohnt hohe Zuverlässigkeit unserer Energieversorgung zu sichern.“
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Gawlik
Technische Universität Wien, Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe (ESEA)
Im Rahmen des Projekts aDSM – Aktives Demand-Side-Management durch Einspeiseprognose werden hierarchisch skalierbare Systeme mit dezentraler Intelligenz entwickelt, die den Verbrauch von Haushalten und Elektrofahrzeugen möglichst effizient und flexibel an die lokal im Haus erzeugte Photovoltaik-Einspeisung anpassen. Die Lastverschiebungen bzw. gesteuerten Ladevorgänge werden aktiv und vorausschauend mit Hilfe einer optimierten Einspeiseprognose durchgeführt. Als Datengrundlage dient eine Modellsiedlung mit 126 Haushalten und hohem regenerativen Erzeugungsanteil (PV-Anlagen), die die österreichischen Gebäude- und Wohnverhältnisse auf der Niederspannungsebene repräsentativ abbildet.
Durch den Regelalgorithmus werden Haushaltslasten individuell gesteuert bzw. verschoben. Elektrothermische Verbraucher (elektrische Heizungen, Umwälzpumpen, Warmwasserboiler, Kühl- und Gefrierschränke) können unter Einhaltung einer maximalen Abschaltdauer flexibel eingesetzt werden. Elektrofahrzeuge werden ab einem Batterieladestand größer 50 % gesteuert geladen. Für Waschmaschine, Wäschetrockner und Geschirrspüler werden individuelle Programme hinterlegt, deren Startzeitpunkte zeitlich verzögert werden können. Kann kein lokaler Ausgleich erreicht werden, sollen die oberen Systemebenen (bis hin zum Übertragungsnetz) oder Energiespeicher koordiniert eingreifen.
Die Ergebnisse zeigen, dass der lokale aDSM-Ansatz den Eigenverbrauch (d. h. das Verhältnis zwischen eigenverbrauchtem zu erzeugtem Solarstrom) und die Autarkie (d. h. das Verhältnis von eigenverbrauchtem Solarstrom zum Gesamtstromverbrauch) der Haushalte steigert und die effektiven Haushaltsstromkosten im Durchschnitt sinken. Im Vergleich zu den unbeeinflussten Verbrauchsprofilen kann der Eigenverbrauchsanteil durchschnittlich von 20 % auf 28 % sowie der Autarkiegrad von 24 % auf 35 % gesteigert werden. Die entscheidenden Einflussfaktoren dafür sind die Dimensionierung der PV-Anlagen sowie die Nutzung von Elektrofahrzeugen.