Foto: TVB Helga Andreatta

Foto: TVB Helga Andreatta

INNSBRUCK
Alpin, urban und klimaneutral

Im Alpenraum machen sich die Auswirkungen der Klimakrise u. a. durch Gletscherschmelzen und extreme Wetter-ereignisse mit Starkregen und Murenabgängen bemerkbar. Die Stadt Innsbruck setzt viele Aktivitäten und Maßnahmen, um Energie und Ressourcen einzusparen und klimaschädliche Emissionen zu senken. In den Bergen gelegen, hat Innsbruck wenig Platz und zugleich einen hohen Bedarf an neuem Wohnraum. Klimaschutz und leistbares Wohnen in Einklang zu bringen, ist eine der großen, aktuellen Herausforderungen.
 
„In Innsbruck ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt“, sagt Marcus Maier, der das Projekt Mission „Klimaneutrale Stadt“ leitet. „Zentrale Themen für die Entwicklung der Stadt sind die Urbanisierung und die nachhaltige Flächennutzung. Wir brauchen viele neue, leistbare Wohnungen, z. B. für die Studierenden. Aber studentisches Wohnen und sozialen Wohnbau in Einklang mit der Klimaneutralität zu bringen, d. h. die Rahmenbedingungen für die Finanzierung eines hohen Gebäudestandards zu schaffen, ist eine schwierige Aufgabe. Da wir wenig Platz haben, spielt natürlich auch die Sanierung von Gebäuden eine wichtige Rolle.“ Einige ambitionierte Vorzeigeprojekte in Neubau und Sanierung demonstrieren, wie innovative Lösungen in der Praxis funktionieren. Bei der Planung und Umsetzung solcher Bauvorhaben arbeitet die Stadt eng mit ihren Partnern, der Tochtergesellschaft IIG (Innsbrucker Immobilien GmbH & CoKG) und der Neuen Heimat, zusammen.

Smart City Quartier Campagne Reichenau

Ein Best Practice-Beispiel für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung und die Schaffung von kostengünstigem Wohnraum im Passivhausstandard ist das Quartier Campagne Reichenau. Hier soll langfristig eine „Zero Emission Urban Region“ entstehen. Das Konzept beinhaltet eine Reduktion der Treibhausgasemissionen, Klimawandelanpassungen, soziale Nachhaltigkeit, höchste Energieeffizienz, ökologische Qualität sowie erneuerbare Energie als wesentlicher Bestandteil der Energieversorgung. Unter der Leitung der IIG wurden hier multiplizierbare, kostengünstige und hocheffiziente Lösungen entwickelt. Neben der energetischen Optimierung der Gebäude werden auch nachhaltige Mobilitätskonzepte sowie intelligente Ver- und Entsorgungsstrukturen in dem neuen Quartier demonstriert. Die ersten Bauabschnitte konnten bereits nach klimaaktiv-Standard zertifiziert werden und erreichten den Gold-Standard. „Die Campagne Reichenau erhielt zudem eine der ersten klimaaktiv-Siedlungsbewertungen in Österreich“, erklärt Marcus Maier. „Eine besonders hohe Punktezahl haben wir in den Bereichen Management, Kommunikation, Städtebau und Gebäudequalität bekommen.“ Haus A und B der IIG wurden auch als Passivhäuser nach PHI-Standard zertifiziert.

Quartier Eichhof – Sanierung und Neubau in Passivhausstandard

Ein weiteres richtungsweisendes Projekt ist das Innsbrucker Quartier Eichhof. Auf dem Areal einer städtischen Wohnanlage, die ab 1941 für sogenannte Aussiedler:innen aus Südtirol errichtet wurde, werden in mehreren Baustufen insgesamt 530 Wohneinheiten – teils in Neubauten im Passivhausstandard, teils in sanierten Bestandsgebäuden – geschaffen. Die erste Wohnanlage mit 29 Wohneinheiten wurde 2021 bezogen. 2023 wurden weitere 32 qualitativ und energetisch hochwertige Neubauwohnungen an die Mieter:innen übergeben. Für die zukünftigen Bauabschnitte wird das Ziel des klimaaktiv-Gold-Standards verfolgt.

Aufbau von Kompetenzen und Wissenstransfer

Die Teilnahme an der Mission „Klimaneutrale Stadt“ unterstützt Innsbruck dabei, den Prozess in Richtung Klimaneutralität intensiv weiter voranzutreiben. Zusätzliche personelle Ressourcen wurden dazu aufgebaut. Das 4-köpfige Pionierstadt-Team ist an der Verwaltungsspitze – im Büro der Magistratsdirektion – angesiedelt. Das erleichtert die interne Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ämtern und die organisatorischen Abläufe. „Unsere Aufgabe ist es, die Klimakriterien besser in unsere Verwaltungsprozesse zu integrieren, Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen sowie gesetzliche Hürden, z. B. in der Bauordnung zu identifizieren und abzubauen“, beschreibt der Projektleiter einige Kernaufgaben des neu geschaffenen Teams. Große Bedeutung kommen der Kommunikation, dem Aufbau von Netzwerken und dem Wissensaustausch zu. Das betrifft nicht nur die stadtinternen Prozesse, sondern auch die Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Stakeholder:innen, mit den Tochtergesellschaften, den Abteilungen der Landesregierung sowie mit Universitäten und Forschungseinrichtungen.  

„Im Rahmen der Mission Klimaneutrale Stadt findet ein regelmäßiger Austausch zwischen den Pionierstädten, dem BMK und dem Fördergeber FFG statt. Dieses Netzwerk und der Wissenstransfer sind eigentlich das Wichtigste an der Mission. Hier werden die konkreten Bedarfe der Städte, anstehende Probleme sowie Förderprogramme und -richtlinien angesprochen.“
Marcus Maier, Projektleitung Mission „Klimaneutrale Stadt“,
Landeshauptstadt Innsbruck

Partizipation der Bürger:innen

Information und Mitwirkung der Bürger:innen sind wesentliche Faktoren für den Erfolg und die Akzeptanz von klimarelevanten Projekten. In den neuen Innsbrucker Stadtquartieren werden deshalb verschiedene Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung gesetzt, wie u. a. die Begleitung der Bewohner:innen beim Einzug in die neuen Wohnungen oder gezielte Informationsangebote zum Energiesparen. Sehr erfolgreich verlief das kooperative Planungsverfahren für das Neubauviertel Campagne Reichenau. „Hier sind im Vorfeld die Anrainer:innen befragt worden, welche Bedarfe es für Schulen, Kindergärten oder Vereine, etc. gibt und es ist ein großes Areal mit vielen Grünflächen und Spielplätzen entstanden“, beschreibt Maier den Prozess. „Dadurch konnten Widerstände – die es ja gerade bei Neubauprojekten sehr oft gibt – frühzeitig abgebaut werden. Solche partizipativen Planungsprozesse, bei denen von Anfang an gemeinsam diskutiert wird, wollen wir auch in zukünftigen Projekten verstärkt umsetzen.“

klimaaktiv-Standard für Gebäude und für Siedlungen und Quartiere
Um die Qualität eines Gebäudes messbar und vergleichbar zu machen, wurde in Österreich der klimaaktiv-Gebäudestandard entwickelt. Die Bewertungskategorien sind in einem Kriterienkatalog definiert. Neben der Energieeffizienz werden auch die Planungs- und Ausführungsqualität, die Qualität der Baustoffe und der Konstruktion sowie zentrale Aspekte zu Komfort und Raumluftqualität von neutraler Seite beurteilt und bewertet.
www.klimaaktiv.at/gemeinden/gemeindegebaeude/gebauedestandard.html
 
Der klimaaktiv-Standard für Siedlungen und Quartiere ist ein österreichischer Qualitätsstandard, der die Nachhaltigkeit von größeren Bauvorhaben mit besonderem Fokus auf Klimaneutralität und Lebensqualität nachweist und sicherstellt. Im Mittelpunkt des Kriterienkatalogs für Siedlungen und Quartiere steht das Thema Städtebau. Weitere Aspekte zielen auf die Qualität der Infrastruktur (Mobilitätsinfrastruktur, Energie- und Wasserversorgung, Gebäude) und die Qualität der Planung (u. a. Organisationsstrukturen, Zielsetzungen und Beteiligungsformate).
www.klimaaktiv.at/service/publikationen/bauen-sanieren/kriterienkatalog-siedlungen.html

 

  • Visualisierung Campagne Reichenau, Abb.: Expressiv-IA Bogenfeld Architektur Baufeld 1
    Visualisierung Campagne Reichenau, Abb.: Expressiv-IA Bogenfeld Architektur Baufeld 1
  • Quartier Eichhof, Foto: M. Freinhofer
    Quartier Eichhof, Foto: M. Freinhofer