Rund die Hälfte des gesamten Ressourcenverbrauchs in Österreich macht mit 95 Mt pro Jahr die Nutzung von nichtmetallischen Mineralstoffen bzw. Baurohstoffen aus.1 Diese Baustoffe werden auch in Zukunft im Hochbau und Infrastrukturbau maßgeblich zum Einsatz kommen. Zusätzlich ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren durch die umfassende Sanierung des Gebäudebestands große Mengen an Baurestmassen anfallen werden. Die notwendige Reduktion des Ressourcenverbrauchs und der CO2-Emissionen stellt die Baustoffindustrie vor große Herausforderungen. Die Dekarbonisierung und Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft erfordern Innovationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Massivbauindustrie. In einer aktuellen Studie der ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik2 wurden die Anforderungen, Chancen und Potenziale einer „Circular Economy“ für die Massivbauindustrie analysiert und zukünftige Aktionsfelder für Forschung und Entwicklung aufgezeigt.
Ausgewählte Kernergebnisse der Analyse
>Die Recycling-Quote ist im österreichischen Bausektor mit rund 80 % bereits hoch und betrifft in erster Linie Asphalt und Tiefbaurestmassen. Es überwiegt dabei das Downcycling. Die Restmassen werden vor allem im Straßenbau oder als Verfüllmaterial eingesetzt und meist keiner höherwertigen Wiederverwendung zugeführt. Im Hochbau liegt die Recyclingquote nur bei etwa 40 %. Um Reststoffe als Basis für qualitativ hochwertige, schadstofffreie Recycling (RC)-Baustoffe verwenden zu können, ist eine sortenreine Trennung und Aufbereitung erforderlich. Die Zunahme von Verbundmaterialien erschwert den sortenreinen Rückbau im Hochbau.
>Die Wirtschaftlichkeit ist für RC-Massivbaustoffe aktuell nicht gegeben. Niedrige Kosten für Primärrohstoffe und die Deponierung von Abfällen stehen hohen Kosten für den Transport sowie für die Trennung und Aufbereitung von Reststoffen gegenüber. Die Logistik sowie die Frage der örtlichen und zeitlichen Übereinstimmung von Aufkommen und Nachfrage sind wesentliche Faktoren, die die Wirtschaftlichkeit von RC-Baustoffen beeinflussen.
>Die Sortierung und Aufbereitung von Baurestmassen erfordert teilweise einen hohen Energieeinsatz. Zu beachten ist auch die Umweltverträglichkeit der Recyclingprozesse.
>Ein wichtiger Aspekt ist die Schadstoffanreicherung in Produkten und Materialien. Durch konsequente Kreislaufführung über mehrere Gebäudelebenszyklen können sich Schadstoffe über die heute geltenden Grenzwerte hinaus anreichern bzw. aktuell unbedenkliche Bestandteile könnten zukünftig zu Problemstoffen werden.
>Building Information Modeling (BIM) sollte für den Aufbau und die Aktualisierung von Materialdatenbanken und Massenübersichten in allen Lebenszyklusphasen eines Bauwerks eingesetzt werden und könnte die Nutzung regional verfügbarer Reststoffe aus der Baubranche unterstützen.
>Die Einbindung aller Akteur:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist eine wichtige Voraussetzung, um die Kreislaufführung von Massivbaustoffen auszubauen. Bisher gibt es nur wenig Vernetzung zwischen der Bauindustrie, der Abfallindustrie und der Rohstoffindustrie (inkl. den Baustoffproduzenten).
>Die rechtlichen Rahmenbedingungen (u. a. Normung, Abfallrecht oder Gewährleistung von RC-Baustoffen) sind für eine wirtschaftliche Kreislaufführung von Massivbaustoffen entscheidend. Die aktuellen Baurichtlinien sind speziell für den Einsatz von RC-Beton eher restriktiv gestaltet. Rechtliche Einschränkungen betreffen u. a. auch den Einsatz von mobilen Aufbereitungsanlagen in urbanen Gebieten.
Forschungsbedarf und Handlungsempfehlungen
Im Rahmen der Studie wurden der notwendige Forschungsbedarf sowie mögliche Strategien für den Ausbau der Kreislaufführung von Massivbaustoffen analysiert und in drei Handlungsfeldern aufbereitet. Für eine Transformation hin zu einer „Circular Economy“ sind neue technologische Ansätze, prozesstechnische Innovationen sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle notwendig. Zentrale Bedeutung haben die enge Vernetzung der Akteur:innen entlang der gesamten Prozesskette sowie die rechtlichen und normativen Rahmenbedingungen. Zu all diesen Handlungsfeldern hat die ÖGUT in ihrer Studie detaillierte Forschungsthemen zur Forcierung der Kreislaufführung von Massivbaustoffen zusammengestellt.
nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/publikationen/schriftenreihe-2021-24-kreislauffaehigkeit-massivbaustoffe.php
1 Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): Ressourcennutzung in Österreich 2020 – _Band 3. Wien, August 2020.
2 Anforderungen an die Kreislauffähigkeit von Massivbaustoffen, Studie im Auftrag des BMK, ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, F. Trebut, B. Pfefferer, Juni 2021.