Im Rahmen des Projekts „LZE 100 Leuchtturmobjekte“1 wurden die Energieverbrauchswerte von über 100 repräsentativen hocheffizienten Gebäuden verschiedener Nutzungskategorien über eine Betriebszeit von 3 bis 25 Jahren erfasst, statistisch ausgewertet und mit den Verbräuchen gleichartiger Gebäudetypen mit herkömmlichem Energieniveau verglichen. Das Projekt liefert damit einen wichtigen Beitrag für eine sachliche Diskussion zur Frage, ob voraus berechnete Energiebedarfswerte für hocheffiziente Gebäude auch im realen Betrieb erreicht werden können. Die umfassende Monitoringstudie zeigt anhand der Daten aus der Praxis auf, welche Einsparpotenziale in energetisch optimierten Gebäuden im Vergleich zu üblichen Neubauten, Sanierungen und Bestandsgebäuden gleicher Nutzungskategorie erzielbar sind. Auf Basis der Daten konnten auch die realen Treibhausgasemissionen der Gebäude im Betrieb berechnet werden.
Ausgewählte Ergebnisse
>> Energieverbrauch Heizung/Warmwasser in Mehrfamilienhäusern
Für die Gebäudekategorie Mehrfamilienhäuser (MFH) ergaben die Auswertungen, dass der spezifische Endenergieverbrauch für Raumheizung und Warmwasser im Mittel großer Mehrfamilienhaus-Bestände aller Baualter zwischen etwa 105 kWh pro m2 Wohnnutzfläche pro Jahr (m2WNFa) für fernwärmebeheizte Gebäude und ca. 140 kWh/(m2WNFa) für öl- oder gasbeheizte Gebäude liegt. Bei Neubauten liegt der spezifische Endenergieverbrauch für Raumheizung und Warmwasser im Mittel bei etwa 85 kWh/(m2WNFa).
Die besten energetisch optimierten Mehrfamilienhäuser mit Gasheizung erreichen spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von 42 bis 44 kWh/(m2WNFa), bei fernwärmebeheizten Mehrfamilienhäusern liegt dieser Wert bei 50 bis 53 kWh/(m2WNFa). Hocheffiziente MFH-Neubauten erreichen damit um 40-50 % geringere Verbräuche als Neubauten, die nach den aktuellen Mindestanforderungen errichtet werden. Am besten schneiden wärmepumpenbeheizte Mehrfamilienhäuser ab, diese erreichen spezifische Endenergieverbräuche für Heizung und Warmwasser von 12-13 kWh/(m2WNFa).
>> Abschätzung THG-Emissionen
Unabhängig vom eingesetzten Energieträger für Heizung und Warmwasser kann auch der Verbrauch von Hilfs- und Haushaltsstrom in energetisch optimierten Gebäuden erheblich reduziert werden. Die Berechnungen zeigen, dass viele der untersuchten Gebäude in der Praxis sehr niedrige Treibhausgasemissionen verursachen. Bei den besten wärmepumpenbeheizten Mehrfamilienhäuser liegen die Emissionen in Summe aller Energieanwendungen bei etwa 11 kg/(m2WNFa), wenn der aktuelle österreichische Verbraucherstrommix zur Bewertung herangezogen wird. Diese Gebäude können – unter Annahme der für 2030 zu erwartenden spezifischen Treibhausgasemissionen des Verbraucherstroms – die Klimaziele2 (d. h. Emissionen von max. 6 kg/(m2WNFa)) erreichen. Ähnliches gilt für die besten fernwärmebeheizten Gebäude sowie für die besten Sanierungen.
> hocheffiziente Gebäude funktionieren in der Praxis
> hohe Effizienz ist planbar und wirtschaftlich
> das derzeitige Mindestanforderungsniveau an Neubauten reicht nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen
> optimale Energieträger für den Neubau sind Wärmepumpe oder Nah/Fernwärme
> große PV-Systeme sind nah an der Wirtschaftlichkeit
> die Analyse der realen Energieverbräuche von Gebäuden steht erst am Anfang
Ausblick
Die niedrigen Verbrauchsdaten der besten untersuchten Gebäude machen deutlich, wie groß das Potenzial zur Verbrauchreduktion in Neubau und Sanierung ist. Neben der Dekarbonisierung des Gebäudesektors sind die Senkung des Energieverbrauchs in Neubauten sowie die Erhöhung der thermischen Sanierungsrate und -qualität in Bestandsgebäuden entscheidende Faktoren, um die Zielsetzung Klimaneutralität bis 2040 in Österreich zu erreichen. Die Expert:innen empfehlen u. a. die weitere Erhöhung des Anforderungsniveaus für die Gebäudehülle in Neubau und Sanierung, ein sofortiges Verbot von fossilen Energieträgern im Neubau, einen verbindlichen Zeitplan für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern im Bestand sowie eine starke Fokussierung auf die Gebäudesanierung. „Hocheffiziente Neubauten und Sanierungen unterschiedlicher Gebäudekategorien können mit marktverfügbaren Komponenten und Konzepten in der Praxis weit niedrigere Energieverbrauchswerte erreichen, als durch die gesetzlichen Mindestanforderungen gefordert. Gebäude mit einer Hüllqualität nach bautechnischen Mindestanforderungen erreichen die Klimaziele auch mit erneuerbaren Wärmeerzeugern nicht. Für einen klimaschutzkompatiblen Gebäudesektor müssen Gebäudeeffizienz und erneuerbare Wärmeerzeuger kombiniert werden.“
www.nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/lze-100-leuchtturmobjekte.php
Thomas Roßkopf-Nachbaur MSc
Energieeffizientes Bauen, Energieinstitut Vorarlberg
1 Projektpartner: LANG consulting – Ing. Günter Lang (Projektleitung), Energieinstitut Vorarlberg
2 www.energieinstitut.at/unternehmen/bauen-und-sanieren-fuer-profis/low-cost-nzeb-paris-kompatible-gebaeude/was-ist-ein-paris-kompatibles-gebaeude