Die breite Nutzung erneuerbarer Energie stellt nicht nur die Hoch- und Mittelspannungsnetze, sondern auch die Niederspannungsnetze vor große Herausforderungen. Grund dafür sind neben der wachsenden Zahl an Photovoltaikanlagen auch der Anstieg zusätzlicher elektrischer Verbraucher, wie Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge.
In zahlreichen österreichischen Haushalten (rund 60.000) sind heute private Photovoltaik-Anlagen im Einsatz. Seit einiger Zeit kommen vermehrt Technologien für die dezentrale Speicherung von PV-Strom auf den Markt. Mit kleinen elektrochemischen Stromspeichereinheiten können Haushalte den selbst erzeugten Strom lokal speichern und später für den Eigenbedarf verwenden. Die Auslegung und Dimensionierung der Netze wird bisher auf Basis von statistischen Annahmen für Verbraucher und Erzeuger durchgeführt. Neue Technologien, wie dezentrale Heimspeicher und flexible Lasten haben zur Folge, dass Lastprofile vermehrt nicht mehr rein statistisch gebildet werden können. Es ergeben sich marktorientierte Lastprofile, mit einer potentiell hohen Gleichzeitigkeit in einem Netzabschnitt. Bei einer hohen Verbreitung der neuen Technologien kann es zu thermischer Überlastung und zu Spannungsproblemen in den Verteilnetzen kommen.
In LEAFS (Integration of Loads and Electric Storage Systems into Advanced Flexibility Schemes for LV Networks), einem Leitprojekt der Energieforschung, das vom AIT Austrian Institute of Technology in Kooperation mit Unternehmens- und Forschungspartnern1 durchgeführt wird, werden Technologien und Betriebsstrategien für die aktive, netz- und marktgetriebene Steuerung von dezentralen Speichersystemen und flexiblen Lasten entwickelt und in Feldversuchen getestet. Außerdem werden monetäre Anreize für NetzkundInnen evaluiert und die Wirtschaftlichkeit lokaler Speicher analysiert und bewertet.
Simulation und Technologieentwicklung
Zunächst untersuchten die ForscherInnen anhand von Simulationen mit repräsentativen Modell-Netzen mögliche Auswirkungen einer erhöhten marktgetriebenen Nutzung von Speichern und Lastflexibilität in Verteilnetzen. Zu verschiedenen Anwendungsfällen wurden neue Steuerungsansätze entwickelt: die direkte Steuerung von zentralen (z. B. Netzspeicher) und dezentralen Komponenten (z. B. Heimspeichersysteme) sowie die indirekte Steuerung dezentraler Komponenten, wie z. B. Wärmepumpen oder dezentrale Speicher bei den KundInnen durch ein Energiemanagementsystem.
Feldversuche
Die unterschiedlichen Speicher- und Steuerungsmethoden werden in drei Feldversuchen in den Netzen der Gemeinden Köstendorf in Salzburg, Eberstalzell in Oberösterreich und Heimschuh in der Steiermark untersucht und miteinander verglichen. In allen drei Netzen konnte vorhandene Infrastruktur aus Vorgängerprojekten zum Teil wiederverwendet werden. Dadurch wurden Kosten und Aufwand verringert. Für die verschiedenen Anwendungsfälle werden rechtliche, wirtschaftliche und regulatorische Analysen durchgeführt, die in weiterer Folge in die Untersuchung der Übertragbarkeit und Skalierbarkeit der neuen Lösungen einfließen sollen.
Köstendorf (Salzburg Netz GmbH)
In der Smart Grid-Modellgemeinde Köstendorf wurden in fünf Haushalten mit Photovoltaik-Anlage Heimspeichersysteme installiert und in das lokale Steuerungssystem integriert, d. h. mit dem Building Energy Agent (BEA), dem regelbaren Ortsnetztrafo und den lokalen Elektrofahrzeugen vernetzt. Die Komponenten werden indirekt über die intelligente Steuerungseinheit geregelt. Der Netzbetreiber übernimmt die Rolle des Aggregators und überträgt das Marktsignal.
Eberstalzell / Littring (Energie AG/Netz OÖ GmbH)
Hier wurden drei Heimspeichersysteme in einem Netzabschnitt installiert. Der Netzbetreiber überträgt über Powerline basierend auf Wetter-Vorhersagen täglich Netzrestriktionen, die der Speicher einhalten muss. Ein etwaiges Marktsignal wird von einem Aggregator (in diesem Fall Fronius International GmbH) direkt über das Internet an das Gerät übertragen. Dieses Konzept bildet ein wesentliches Zukunftsszenario ab.
Mit dem „Sonnenbonus“ wurde ein zweiter Feldversuch gestartet. Getestet werden monetäre Anreize in Abhängigkeit der lokalen PV-Erzeugung. Ziel ist es, Haushalte zu motivieren, den vor Ort erzeugten Strom in bestimmten Zeitfenstern zu verbrauchen. Die StromkundInnen erhalten 10 Cent pro Kilowattstunde, wenn sie bei hohen Einspeiseleistungen im Netz möglichst viel verbrauchen. Über eine App ist täglich die Information abrufbar, ob und wann am folgenden Tag der Sonnenbonus gewährt wird. Mehr als 200 Haushalte nehmen an diesem aktuell laufenden Feldversuch teil.
Heimschuh (Energienetze Steiermark GmbH)
In der südsteirischen Gemeinde Heimschuh speisen neun Haushalte mit ihren Photovoltaikanlagen grünen Strom in einen zentralen Speicher ein und holen ihn zurück, wenn er gebraucht wird. Der aus einer eigenen PV-Anlage erzeugte Strom deckt in der Regel nur ca. 30 % des Energiebedarfs eines durchschnittlichen Haushaltes ab, da häufig Bedarf besteht, wenn die Sonne nicht scheint. Durch einen Speicher kann dieser Wert auf bis zu 70 % erhöht werden.
Gängiges Modell ist es, den lokal erzeugten PV-Strom in einer eigenen Anlage zu Hause zu speichern. Für den Feldversuch wurde eine Batterie mit einer Speicherkapazität von 100 kWh installiert. Das entspricht der Kapazität von 20 Heimspeichern. Die Leistung des Speichers beträgt 100 kW. Das neue zentrale Speichersystem kann so von mehreren Haushalten gleichzeitig genutzt werden. Dadurch sinken die Kosten für die Installation und Wartung und es wird kein Platz für eine eigene Anlage im Haus benötigt.
DI Christian Purrer und DI(FH) Mag.(FH) Martin Graf, MBA,
Vorstand der Energie Steiermark
Mit dem bis März 2019 laufenden Versuch will man testen, wie diese zentrale Stromspeichereinheit für das lokale Stromnetz, aber auch für die KundInnen und für den Markt eingesetzt werden kann. Der Netzbetreiber hat direkten Zugriff auf das Speichersystem. Dieses kann auch zusätzlich Marktdienstleistungen wie die Teilnahme am Spot-Markt erbringen. Neben sinkenden Kosten für die NetzkundInnen wird eine Optimierung des Energieverbrauchs sowie die Entlastung und Stabilisierung des Stromnetzes erwartet.
1 Unternehmens- und Forschungspartner: AIT-Austrian Institute of Technology GmbH (Projektleitung), Fronius International GmbH, Siemens AG Österreich, Salzburg Netz GmbH, Netz Oberösterreich GmbH, Energienetze Steiermark GmbH, TU Wien – Energy Economics Group, Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität, MOOSMOAR Energies OG