Konzepte zur Lastverschiebung im Stromnetz können – neben dem Netzausbau, innovativen Speichertechnologien und der Implementierung moderner Mess-, Informations- und Kommunikationstechnologien – dazu beitragen, auch in Zukunft die Sicherheit und Systemeffizienz unserer Energieversorgung zu gewährleisten.
Am Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz wurden im Rahmen des Projekts „Loadshift“ Potenziale für Lastverschiebung in Österreich erhoben sowie die ökonomischen, technischen und rechtlichen Aspekte dieser Verschiebungspotenziale analysiert. Die ForscherInnen analysierten die Lastverschiebungspotenziale dabei getrennt nach den Sektoren Haushalt, Industrie, Gewerbe und kommunale Infrastruktur. Es werden Schätzungen für den Aufwand verschiedener Grade der Potenzialausschöpfung abgegeben und Kostenkurven für Österreich abgeleitet.
Lastverschiebung in Industrie & Gewerbe
Das maximale technische Potenzial für verbraucherseitige Lastreduktion in der österreichischen Industrie wird in der Literatur auf 664 MW geschätzt, wobei Dienstleistungen und öffentliche Administration dabei mit berücksichtigt sind.
(Quelle: Abschätzung des maximalen technischen Potenzials für verbraucherseitige Lastreduktion in Österreich, Gutschi und Stigler, 2008)
Aufbauend auf dieser Bewertung wurden im Projekt „Loadshift“ sechs verschiedene Wirtschaftsbereiche betrachtet. Die Analyse zeigt, dass Unternehmen der Zementindustrie, spezielle Chemieunternehmen sowie die Papierindustrie die höchsten Lastverschiebungspotenziale aufweisen. Die Zementindustrie ist dabei der kostengünstigste Sektor mit unter 100 Euro/MWh. Das höchste Potenzial liegt in der Papierindustrie, die mit einem Jahresenergieverbrauch von 4.614 GWh zu den größten Energieverbrauchern des produzierenden Bereichs zählt. Für die Papierindustrie (betrachtet wurden die Prozesse am Holzplatz, in der Altpapieraufbereitung sowie der Holzstoffherstellung) wurde ein Lastverschiebepotenzial im Bereich von 215 bis 265 MW mit Kosten von rund 200 Euro/MWh ermittelt.
Im gewerblichen Bereich bieten sich die Lebensmittelkühlung und die Temperierung und Lüftung von Dienstleistungsgebäuden für Lastverschiebung an, da bei beiden (thermische) Speicher vorhanden sind. Ein signifikantes Potenzial ist hier bei Lastverschiebungen gegeben, die maximal 60 Minuten andauern.
Potenziale Haushalte & Elektromobilität
Bei den Haushalten zeigte sich, dass thermische Anwendungen für Heizung und Warmwasser die höchsten Potenziale für Lastverschiebung aufweisen. Generell wird die Einbindung moderner Mess-, Kommunikations- und Informationstechnologien im Haushaltsbereich als ein zentraler Treiber für die Realisierung von Smart Grids gesehen. Private Elektromobilität spielt derzeit in Österreich für Lastverschiebung noch eine untergeordnete Rolle. Ein Hemmnis ist dabei u. a. die Verkürzung der Akkulebensdauer durch oftmaliges Auf- und Entladen. Eine weiterhin steigende Anzahl an Elektroautos bzw. die Weiterentwicklung der Akkutechnologie könnten diesen Sektor aber in wenigen Jahren zu einer relevanten Größe für Lastverschiebung heranwachsen lassen.
Konzepte für Kommunen
Im Rahmen von „Loadshift“ wurden einerseits die anlagen- und verfahrenstechnischen Möglichkeiten zur Verschiebung von elektrischen Lasten im Bereich der kommunalen Abwasserreinigung untersucht. Andererseits wurde eine Case Study in der Gemeinde Großschönau in Niederösterreich durchgeführt, um die praktische Realisierung von Lastverschiebemaßnahmen für eine Gemeinde zu prüfen. Aktuell lassen sich noch keine ökonomischen Anreize für Investitionen in die Flexibilisierung von Abwasser-Beseitigungsanlagen und Wasserversorgungssystemen darstellen. Die Nutzung der ermittelten Flexibilitäten könnte im Zuge neuer Geschäftsmodelle, wie z. B. das Pooling der Anlagen mehrerer Gemeinden, zukünftig interessant werden.
>> www.nachhaltigwirtschaften.at/e2050/publikationen/view.html/id1335
„Die beiden Projekte Loadshift und Flex-Tarif haben deutlich gezeigt, dass es im Energiesystem der Zukunft keine „one fits all“ Lösung geben wird. Verschiedene Kundengruppen in Industrie, Gewerbe und Haushalten haben individuelle Wünsche, Anforderungen und Ziele. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird darin liegen, ein noch besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie mit dieser Individualisierung umgegangen werden kann und wie dabei gleichzeitig die Zuverlässigkeit und Effizienz der Energieversorgung gewährleistet bleibt.“
Dr. Andrea Kollmann
Projektleiterin, Abteilung Energiewirtschaft,
Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz