Die Nutzung von Biogas aus organischen Reststoffen als Kohlendioxid (CO2)-neutraler Brennstoff in der Zementproduktion wird in einem Projekt der Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes (VTiU) erforscht. Das Projekt wird in Kooperation mit zahlreichen Industrie- und Forschungspartnern (Lafarge Zementwerke GmbH, Christof International Management GmbH, Abwasserverband Knittelfeld und Umgebung, Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien – Institut für Umweltbiotechnologie, Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz) durchgeführt.
Produktionsprozesse in der Baustoffindustrie erfordern einen sehr hohen thermischen Energieeinsatz. In der Zementerzeugung wird dieser in Österreich ca. zu zwei Dritteln aus Reststoffen und Sekundärenergieträgern abgedeckt (z. B. Altreifen, Kunststoffe oder Altöl). Zukünftig könnte Biogas aus organischen Reststoffen als CO2-neutraler Brennstoff in der Zementproduktion zum Einsatz kommen. Im Rahmen des Projekts ReNOx wird ein Konzept zur standortnahen Koppelung von Biogas- und Zementanlagen entwickelt, mit dem Ziel, eine integrierte Produktion mit geschlossenen Stoff- und Energiekreisläufen zu schaffen.
Flexibles Verfahren zur Aufbereitung von Gärresten
Neben der technisch-wirtschaftlichen Beurteilung einer gekoppelten Zement- und Biogasanlage wird im Rahmen des Projekts auch ein neuartiges Aufbereitungsverfahren für Gärreste entwickelt. Das „Ionentauscher-Loop-Stripping“ zielt darauf ab, überschüssiges Ammonium aus flüssigen Gärresten zu gewinnen, um es für die industrielle Stickoxidminimierung in Rauchgasen einsetzen zu können („ReNOx“). Dabei wird ein Ionenaustauschprozess auf Basis natürlicher Zeolithe mit einer simultanen Ammoniumabtrennung aus der Regenerationslösung kombiniert. Gleichzeitig wird gereinigtes Prozesswasser zur internen Wiederverwendung an der Biogasanlage erzeugt. Durch die Aufbereitung und das Recycling der Flüssigphase (die über zwei Drittel der gesamten Gärrestmasse ausmachen kann) wird ein alternativer Weg zur Verwertung von Gärresten abseits der landwirtschaftlichen Ausbringung geschaffen. So kann auf eine monatelange Zwischenlagerung großer Gärrestmengen während des Winters verzichtet werden. Die ganzjährig einsetzbare, effiziente Technologie zur Verwertung der Gärrückstände ist eine Voraussetzung, um die hohe Biogasproduktion, wie sie für eine teilweise Energieversorgung in der Zementproduktion erforderlich wäre, realisieren zu können.
Aufgrund der flexiblen Verfahrensführung kann das Ionentauscher-Loop-Stripping sowohl an Biogasanlagen als auch zur Aufbereitung von Trübwässern kommunaler Kläranlagen eingesetzt werden. Im Projekt wird daher auch die Entwicklung kompakter Nachrüstaggregate für bestehende Anlagen verfolgt. An einer Demonstrationsanlage (der Kläranlage Knittelfeld) wird das innovative Verfahren nun erstmals in der Praxis getestet. Gelingt eine Umsetzung des Verfahrens, so können Betreiber von Biogas- und Kläranlagen zukünftig aus Gärrückständen ein marktfähiges Produkt zur Rauchgasreinigung gewinnen und gleichzeitig die Stickstoffrückbelastung an ihren Anlagen senken. Die mit dem Projekt angestrebte Kombination von unterschiedlichen Technologien und Produktionsprozessen (Zementwerke, Biogasanlagen, Kläranlagen, Landwirtschaft) zur industriellen Verwertung von Biogas und Gärresten ermöglicht eine flexible, vernetzte Produktion, bei der die Stoff- und Energiekreisläufe über Systemgrenzen hinweg geschlossen werden. Durch die Nutzung von Synergieeffekten könnten alle beteiligten Sparten profitieren.