Im Projekt SANBA wurde unter der Leitung des AIT Austrian Institute of Technology1 ein lokales Anergienetz2 für die 2014 aufgelassene „Martinek-Kaserne“ in Baden bei Wien konzipiert. Auf dem 40 Hektar großen Areal, das sich im Besitz des Bundesministeriums für Landesverteidigung befindet, könnte ein neues Stadtquartier mit Wohn-, Gewerbe- und Bürogebäuden entstehen. Die denkmalgeschützten Gebäude müssen dazu saniert werden. Zentrale Idee für die Sanierung ist es, das Quartier mit vor Ort verfügbaren Energiequellen über ein lokales Niedertemperaturnetz zu versorgen. Neben industrieller Abwärme aus Prozessen des benachbarten Molkereibetriebs NÖM AG, Photovoltaik und Solarthermie, könnte auch oberflächennahe Geothermie zum Einsatz kommen. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden die Potenziale und möglichen Einschränkungen für Erdwärmesonden und thermische Grundwassernutzung an diesem Standort analysiert. Die saisonale Wärmespeicherung der industriellen Abwärme stand dabei im Fokus.
Erforschung des Untergrunds
In der geowissenschaftlichen Standortbeurteilung wurden zahlreiche bereits vorliegende Informationen, wie geologische Karten, Bohrprofile, Profilschnitte, bestehende Wasserrechte im näheren Umkreis, etc. berücksichtigt. Mit Feld- und Labormessungen konnten zusätzliche Daten generiert werden. Es wurden zwei Erkundungsbohrungen (eine 150 Meter tiefe Spülbohrung und eine 30 Meter tiefe Kernbohrung) am Gelände der benachbarten Molkerei sowie zwei geoelektrische Messungen auf dem Kasernengelände durchgeführt. Erkundungsbohrungen dienen dazu, das geologische Profil aufzunehmen. Mit geoelektrischen Messungen können Material, Porosität und Wassersättigung des Untergrunds festgestellt werden. Es zeigte sich in der gesamten Bohrtiefe ein für das Wiener Becken typisches, dichtes, feinkörnig toniges Material. Um Informationen über die thermischen Untergrundeigenschaften zu erhalten, wurde die Bohrung zu einer Erdwärmesonde ausgebaut und ein sogenannter Thermal Response Test (TRT) durchgeführt, mit dem die effektive Wärmeleitfähigkeit ermittelt werden kann. Dabei wird der Untergrund mithilfe von Kupferdrähten im Kabel gleichmäßig erhitzt. Über ein zusätzlich eingebautes Glasfaserkabel kann die Temperatur direkt tiefenaufgelöst gemessen werden. Sämtliche Informationen dienten als Basis für die Erstellung eines 3D-Untergrundmodells, sowie für numerische Modellierungen. Für einen Erdsondenspeicher mit 96 Sonden à 180 Metern wurden verschiedene Be- und Entladungsszenarien simuliert, um die thermischen Auswirkungen auf den Untergrund rund um das Sondenfeld zu analysieren.
Erkenntnisse & Potenziale
Die Untersuchungen ergaben, dass auf dem Areal nur geringe Grundwasservorkommen in den obersten 10 bis 20 Metern anzutreffen sind, die aufgrund lokaler Inhomogenitäten und nur mäßig hydraulisch durchlässiger Bedingungen keine thermische Grundwassernutzung erlauben. Für die geothermische Nutzung des Untergrunds mit Erdwärmesonden wurden bis zu einer geplanten Tiefe von 150 Metern keine Einschränkungen festgestellt. In tieferen Schichten könnte eventuell eine Formation (Gainfarner Brekzie) angetroffen werden, die potenziell mit dem lokalen Thermalwasservorkommen verbunden ist. Die Messungen im Rahmen des Thermal Response Tests (TRT) zeigten eine gute effektive Wärmeleitfähigkeit von ca. 1,75 W/mK. Die mittlere Untergrundtemperatur vor den Tests liegt bei 13,3 °C. Auf Basis der standortabhängigen Parameter wurden die Leistungs- und Energieressourcen für das Erdsondenfeld analytisch berechnet. Diese Berechnungen ergaben eine spezifische Leistung von 33 W/m und ein Flächendargebot von 93 kWh/m2a für ein bilanziert betriebenes Sondenfeld. Mit einem speziell entwickelten Simulationstool konnte in der Folge das gesamte Anergienetz modelliert werden. Neben dem Erdsondenmodell und den errechneten Energiedaten wurden in den Simulationen Wärmepumpen, Solarthermie, PV, Batteriespeicher sowie die Prosumer des lokalen Netzes (Industrie, Gebäude etc.) integriert.
„Geothermie ist ein wichtiger Baustein für die erneuerbare Wärmewende und eine zentrale Komponente von Anergienetzen, vor allem für die saisonale thermische Speicherung im Untergrund. Für die Erhebung des geothermischen Potenzials sowie die korrekte Dimensionierung und Auslegung der geothermischen Anlagen, wie z. B. Erdsondenspeicher, ist die genaue Kenntnis sämtlicher Untergrundparameter essenziell.“
Dr. Edith Haslinger
AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Energy
SANBA ist ein Projekt der Vorzeigeregion NEFI – New Energy for Industry, einem Innovationsverbund aus Wissenschaft, Technologieanbietern und Unternehmen zur Entwicklung von Schlüsseltechnologien für die Dekarbonisierung der Industrie. www.nefi.at
1 PROJEKTPARTNER: AIT Austrian Institute of Technology GmbH (Projektleitung), NÖM AG, TU Wien – Institut für Energietechnik und Thermodynamik, ENFOS. e.U. – Energie und Forst, Forschung und Service, Institute of Building Research and Innovation ZT-GmbH, Stadt Baden/Energiereferat, Montanuniversität Leoben – Lehrstuhl für Energieverbundtechnik, geohydrotherm GmbH, BauConsult Energy GmbH
Projektberater: Bundesministerium für Landesverteidigung, vertreten durch das Militärische Immobilienmanagementzentrum (MIMZ), Bundesdenkmalamt
2 Lokale Anergienetze sind Rohrleitungsnetze, die Wasser mit niedrigen Temperaturen (im Bereich von 4 bis 30 ° C) zwischen einzelnen Gebäuden bzw. Gebäudegruppen verteilen. Das System kann zum Heizen und Kühlen mit Einsatz von Wärmepumpen und auch zur saisonalen Wärmespeicherung verwendet werden. Anergienetze eröffnen neue Möglichkeiten für die dezentrale Energieversorgung und die Bildung von lokalen Energiegemeinschaften.