Die zunehmende Urbanisierung zählt zu den großen globalen Herausforderungen.Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten oder Ballungsräumen, in Europa werden es bis 2050 voraussichtlich 80 % sein.1 Städte haben einen hohen Energie- und Ressourcenverbrauch und verursachen über 70 % der weltweiten Treibhausgasemissionen.
Strategien zur Dekarbonisierung der urbanen Energie- und Mobilitätssysteme, der Gebäude und der Industrie spielen eine zentrale Rolle für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise. Städte sind Zentren für Wirtschaftstätigkeit, Forschung, Innovation und neue Technologien. Sie können zu Vorreitern für einen nachhaltigen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Wandel werden. Durch die Nutzungs- und Infrastrukturdichte haben sie hohes Potenzial, um innovative Lösungen wie z. B. sektorübergreifende, smarte Systeme in der Praxis zu testen und die Basis für eine breite Ausrollung zu schaffen.
100 klimaneutrale Städte bis 2030 in Europa
In Vorbereitung des neuen europäischen Forschungsprogramms „Horizon Europe“ haben ExpertInnen aus ganz Europa unter dem Motto „Delivering solutions to some of our greatest global challenges“ fünf große Missionen definiert, die im Zeitraum von 2021-2027 die europäische Forschung prägen sollen.2 Die Missionen zielen darauf ab, bereichsübergreifende Forschung und Innovationen anzustoßen, die Lösungen zu den wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen liefern. Mit der urbanen Mission „100 climate-neutral cities by 2030 – by and for the citizens“ will die Europäischen Kommission 100 europäische Städte bis 2030 bei ihrer Transformation in Richtung Klimaneutralität unterstützen und hat dazu erste strategische Zielsetzungen, Handlungsansätze, Zeitrahmen und Budgets vorgestellt. Aktuell ist ein Zwischenbericht des „Mission Board for Climate neutral and Smart Cities“ zu diesem Prozess erschienen.3
100 Städte sollen Raum für Experimente bieten und in der Praxis demonstrieren, wie die Dekarbonisierung gelingen kann. Dazu wird ein mehrstufiger und co-kreativer Prozess in einem – an die jeweilige Stadt realistisch angepassten – „Climate City-Contract“ formuliert. Ziel ist es, Vorzeigebeispiele für weitere europäische Städte zu schaffen und damit zur Umsetzung des europäischen Green Deals4 beizutragen. Zentral sind die Einbindung und das aktive Engagement der StadtbewohnerInnen als planerische AkteurInnen, NutzerInnen, ProduzentInnen, KonsumentInnen und InvestorInnen.
Einen wesentlichen Beitrag liefert auch das „PED-Programm“, ein transnationales FTI-Programm zum Thema „Positive Energy Districts“ (Plus-Energie-Quartiere). Dieses wird unter der Federführung Österreichs durch die Joint Programming Initiative Urban Europe in Kooperation mit dem europäischen Strategischen Energie-Technologie-Plan (SET Plan) umgesetzt. Das Ziel dieses Programms ist es, bis 2025 in Europa 100 Plus-Energie-Quartiere auf den Weg zu bringen. Im Dialog mit Städten wird die Entwicklung einer gemeinsam getragenen Definition und eines Zertifizierungsmodells für Plus-Energie-Quartiere verfolgt. Österreich ist an den jährlichen Ausschreibungen und gemeinsamen Aktivitäten mit dem nationalen FTI-Programm „Stadt der Zukunft“ vertreten und treibt aktiv den Ausbau von Plus-Energie-Quartieren in österreichischen Städten voran.
Nationale Aktivitäten für die nachhaltige Entwicklung von Städten und Gemeinden
In Österreich tragen das Technologieprogramm „Stadt der Zukunft“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie die „Smart Cities Initiative“ mit dem Förderprogramm „Smart Cities Demo“ des Klima- und Energiefonds maßgeblich zur Umsetzung dieser europäischen Mission bei.
Das BMK verfolgt mit „Stadt der Zukunft“ das Ziel, durch die Erforschung und Entwicklung von urbanen Technologien, technologischen Systemen und Dienstleistungen sowie mithilfe der Digitalisierung die Umsetzung von Plus-Energie-Quartieren zu ermöglichen. Dazu zählen innovative Technologien und Konzepte der Energieerzeugung, -verteilung -umwandlung und -speicherung, aber auch der Verbrauchsoptimierung in Gebäuden oder Gebäudeverbänden sowie Technologien und Effizienz im Neubau und in der Sanierung.
nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz
Die „Smart Cities Initiative“ des Klima- und Energiefonds zielt darauf ab, die nachhaltige Transformation von Österreichs Städten und Gemeinden zu beschleunigen. 2020 wurde ein neuer mehrstufiger Entwicklungsprozess gestartet, um innovative und zukunftsfähige urbane Lösungen (v. a. Produkte, Prozesse und Dienstleistungen) erstmalig zu testen (= Urban Innovation Frontrunner), breit zu implementieren (= Urban Innovation Follower) und zu skalieren (= Urban Innovation Roll-Out).
smartcities.at
In dieser Ausgabe stellen wir einige Projekte zum Thema vor, die mit Unterstützung des BMK und des Klima- und Energiefonds aktuell in Österreich realisiert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Umsetzung von „Plus-Energie-Quartieren“.
> zielen auf eine positive Jahres-Energiebilanz
> nutzen erneuerbare Energie, Sektorkopplung und sind energieflexibel
> sind netzverträglich, netzdienlich und leistet einen essentiellen Beitrag für das erneuerbare Energiesystem
> umfassen mehrere Gebäude und nutzen Synergien der Nutzungsmischungen
> streben nach höchster Gebäudequalität im Neubau und in der Sanierung
> erzielen einen hohen Eigennutzungsgrad der vor Ort oder regional bereitgestellten Energie
> verwenden nachhaltige Geschäftsmodelle für Gebäude, Energieeffizienz und die Produktion von erneuerbarer Energie sowie deren Nutzung
nachhaltigwirtschaften.at/resources/sdz_pdf/plus-energie-quartier-folder-2019-de.pdf
2 “Horizon Europe Missions”: Conquering Cancer: Mission Possible, Accelerating The Transition To A Climate Prepared And Resilient Europe, Regenerating our Ocean and Waters, 100 Climate-Neutral Cities by 2030 – by and for the citizens, Caring for Soil is Caring for Life
3 nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/news/2020/20200710-100-klimaneutrale-staedte.php
op.europa.eu/en/web/eu-law-and-publications/publication-detail/-/publication/82f1df57-b68b-11ea-bb7a-01aa75ed71a1
4 Der europäische „Green Deal“ ist der Fahrplan für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige EU-Wirtschaft und soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Das Maßnahmenpaket reicht von einer entschlossenen Senkung der Treibhausgasemissionen über Investitionen in Spitzenforschung und Innovation bis hin zur Erhaltung der natürlichen Umwelt.
ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de