Niedrigenergie Wohngebäude, Quelle: Tiberius Gracchus, fotolia.de

Niedrigenergie Wohngebäude, Quelle: Tiberius Gracchus, fotolia.de

URBANcascade
Energiekaskaden in städtischen Fernwärmesystemen

Hohe Systemtemperaturen im Fernwärmenetz verursachen relativ hohe Wärmeverteilverluste und reduzieren das Potenzial erneuerbarer Energieträger und industrieller Abwärme sowie die Effizienz konventioneller Erzeugungsanlagen. Die Temperaturen im Fernwärmenetz richten sich nach dem höchsten Bedarf der direkt angeschlossenen Verbraucher, dem nutzbaren Temperaturniveau der Erzeuger, der Auskühlung des Wärmeträgers bei den Verbrauchern und der Wärmemenge, die transportiert wird.

Im Projekt URBANcascade untersuchen ForscherInnen des AIT Austrian Institute of Technology Möglichkeiten zur Optimierung städtischer Fernwärme- und Fernkältesysteme durch die kaskadische Nutzung von Wärmeenergie. Der Abgleich zwischen den Temperaturniveaus von Abwärme, erneuerbaren Energieträgern, des Netzes und der Verbraucher spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch eine bedarfsorientierte Einbindung aller Verbraucher, die Analyse von Verschaltungsvarianten zwischen unterschiedlichen Gebäudestrukturen und die Integration von Wärmepumpen sollen die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen gesenkt werden. 

Optimierungen auf drei Ebenen

Für zwei Fallbeispiele (Wien mit 36 % Fernwärme und Klagenfurt mit 30 % Fernwärme) werden Optimierungspotenziale für charakteristische Gebäudetypen identifiziert, Synergieeffekte in Gebäudeverbünden betrachtet und der Einfluss dieser Maßnahmen auf die Temperaturen im gesamtstädtischen Fernwärmesystem in unterschiedlichen Szenarien analysiert. Anhand relevanter  Mustergebäude wird untersucht, wie sich durch interne Gebäude-maßnahmen (z. B. Sanierungen, hydraulischer Abgleich) der Temperaturbedarf reduzieren und die Auskühlung des Wärmeträgers erhöhen lassen.

Diese Mustergebäude werden dann zu Gebäudeclustern kombiniert, um gebäudeübergreifende Synergien durch die kaskadische Verschaltung von Hoch- und Niedertemperaturverbrauchern identifizieren zu können. Schließlich wird der Effekt dieser Maßnahmen auf die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen im gesamtstädtischen Netz, auf die Transportkapazität sowie auf die Erzeugeranlagen evaluiert. Die Integration von Wärmepumpen auf allen drei Ebenen sowie Möglichkeiten zur Installation von Mikronetzen werden ebenfalls betrachtet. 

Fallbeispiel Wien

Das Wiener Netz ist in ein Primär- und mehrere Sekundärnetze aufgeteilt, was viele Freiheitsgrade in der kaskadischen Nutzung von Wärmeenergie erlaubt. Das Primärnetz wird dabei von großen thermischen Erzeugern, wie z. B. KWK-Anlagen, mit Wärme versorgt. Die Sekundärnetze übernehmen über sogenannte Umformerstationen Energie vom Primärnetz. Am Primärnetz sind Hochtemperaturverbraucher wie Krankenhäuser oder Industriegebäude angeschlossen, das Sekundärnetz versorgt je nach Temperaturniveau die Niedertemperaturverbraucher, wie Wohngebäude.

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Die Vorteile der Aufteilung in Primär- und Sekundärnetze sind vielfältig. Einerseits erhöht die Systemtrennung die Versorgungssicherheit, da in Problemfällen nicht das gesamte Netz, sondern nur Teilbereiche betroffen sind. Andererseits kann das Sekundärnetz auf ein niedrigeres Temperatur- und Druckniveau ausgelegt werden, wodurch kostengünstigere Komponenten zum Einsatz kommen können.

Im Fallbeispiel Wien ist das Primärnetz auf Temperaturen bis zu 160 °C und  Drücke bis PN (Pressure Nominal) 25 ausgelegt, um möglichst große Wärmemengen transportieren zu können. Im Sekundärnetz hingegen werden Temperaturen bis 90 °C bei einem Auslegungsdruck von PN 10 erreicht.

 

  • Fernwärne Wien Spittelau, Quelle: reinhardkiss, fotolia.de
    Fernwärne Wien Spittelau, Quelle: reinhardkiss, fotolia.de