Reaktor im Biotechnikum, Foto: Egon Fischer, Fischermedia

Reaktor im Biotechnikum, Foto: Egon Fischer, Fischermedia

ValorPlast
Biokunststoffe aus Nebenprodukten der Zuckerindustrie

Im Projekt ValorPlast untersuchen ForscherInnen des Instituts für Umweltbiotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien die Umsetzung von Nebenprodukten der Zuckerindustrie zu Biopolymeren. Zum Projektkonsortium gehören die Bioenergy 2020+ GmbH, Agrana Research & Innovation Center GmbH, IM Polymer GmbH sowie das Institut für Chemische Technologie von Materialien der Technischen Universität Graz.

Durch die Entwicklung von innovativen Verarbeitungsprozessen für die Zucker-Bioraffinerie will man den Rohstoff Zuckerrübe effizienter nutzen und neue Anwendungen erschließen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die stoffliche Nutzung von Reststoffen aus der Zuckerindustrie konzentrierte sich bisher fast ausschließlich auf die Verwertung von Melasse. Für entzuckerte Melasse (Restmelasse) und Zuckerrübenschnitzel gibt es derzeit hingegen nur die Verfütterung, die Verwendung als Dünger und die energetische Nutzung als hauptsächliche Verwertungsmöglichkeiten.

Herstellung von Biopolymeren

Im Rahmen von ValorPlast sollen Restmelasse und Zuckerrübenschnitzel in Fermentationsprozessen zu PHA (Polyhydroxyalkanoate) verarbeitet werden. Diese biobasierten und biologisch abbaubaren Polymere wurden als optimales Produkt identifiziert, das durch die biotechnologische Umsetzung der Reststoffe gewonnen werden kann. PHA können z. B. als Verpackungsmaterial, als kompostierbare Einwegprodukte oder auch in der Medizintechnik zum Einsatz kommen. Bisher war die Vermarktung durch den Preis limitiert, da für die PHA-Produktion in erster Linie raffinierte Zucker als Rohstoff verwendet wurden.

Zwei innovative Fermentationsprozesse werden im Projekt untersucht. Zum einen wird Restmelasse als Ausgangssubstrat herangezogen. Dieses Nebenprodukt findet aktuell aufgrund des hohen Salzgehaltes keine hochwertige Anwendung. Der Salzgehalt kann aber im Fermentationsverfahren ein Vorteil sein, da hier halophile („Salz liebende“) Mikroorganismen ohne hohe Sterilitätsanforderungen zum Einsatz kommen können. Unter den halophilen Mikroorganismen gibt es Vertreter, welche „short chain length“ (scl) PHA produzieren können. Zum anderen soll der zweite Reststoff, die Zuckerrübenschnitzel, zu „medium chain length“ (mcl) PHA umgesetzt werden. Diese Polymere zeichnen sich durch eine höhere Elastizität und andere Verarbeitungseigenschaften aus, wodurch neue Anwendungsfelder für PHA erschlossen werden können. In einem zweistufigen Prozess werden die Rübenschnitzel zu flüchtigen Fettsäuren vorversäuert, die in der Folge zu PHA umgesetzt werden. 

Aus den Fermentationsprodukten werden PHA-Prüfstäbe hergestellt, die auf ihre verarbeitungs- und anwendungstechnischen Eigenschaften untersucht werden. Abschließend erfolgt eine gesamtheitliche Prozessbewertung. Diese wird neben der Potenzialabschätzung auch eine detaillierte ökonomische Analyse umfassen. 

Erste Ergebnisse

Die Schwerpunkte im ersten Projektjahr lagen auf der Charakterisierung der Substrate, sowie auf der Analyse und Optimierung des Versäuerungsprozesses für Zuckerrübenschnitzel im Labormaßstab. Die Zusammensetzung unterschiedlicher Substratchargen (Restmelasse und Zuckerrübenschnitzel) liegt bereits vor und kann für die Planung der Fermentationsversuche verwendet werden. Auch der Versäuerungsprozess für Pressschnitzel wurde bereits entwickelt und die wichtigsten Prozessparameter definiert. Derzeit laufen Vorbereitungen zu einer kontinuierlichen Umsetzung des Prozesses.

Es wurden verschiedene Mikroorganismen untersucht, die für die PHA-Produktion auf den ausgewählten Substraten in Frage kommen. Einer der identifizierten halotoleranten Stämme ist besonders vielversprechend, da Restmelasse in vergleichsweise hoher Konzentration eingesetzt werden kann und in den ersten Versuchen PHA-Gehalte von bis zu 50 % der Biomassetrockensubstanz erreicht wurden. Auch geeignete Mikroorganismen zur Produktion von mcl-PHA konnten für die weitere Prozessoptimierung identifiziert werden.

DI Dr. Markus Neureiter, Foto: Universität für Bodenkultur Wien
DI Dr. Markus Neureiter, Foto: Universität für Bodenkultur Wien
„Die Zuckerindustrie hat anfallende Nebenproduktströme immer schon einer möglichst effizienten Nutzung zugeführt. Die Umsetzung zu biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen ermöglicht zusätzlich die Herstellung hochwertiger Produkte mit neuen Eigenschaften. Spannend für uns ist die Entwicklung des Produktionsprozesses gemeinsam mit der Industrie. Zusätzlich können wir im Konsortium auch die Polymereigenschaften und mögliche Anwendungsbereiche evaluieren. Wesentlich dabei ist die Verfügbarkeit der Nebenprodukte in relevanten Mengen, was eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Umsetzung darstellt.“

DI Dr. Markus Neureiter
Universität für Bodenkultur Wien
Department IFA Tulln, Institut für Umweltbiotechnologie

 

 

  • Reaktor im Biotechnikum, Foto: Egon Fischer, Fischermedia
    Reaktor im Biotechnikum, Foto: Egon Fischer, Fischermedia
  • Extrahiertes Produkt (PHA), Foto: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Umweltbiotechnologie
    Extrahiertes Produkt (PHA), Foto: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Umweltbiotechnologie
  • Mikroskopie von PHA-produzierenden Bakterien, Foto: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Umweltbiotechnologie
    Mikroskopie von PHA-produzierenden Bakterien, Foto: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Umweltbiotechnologie
  • Hier ist der intrazelluläre Speicherstoff (PHA) mit einem Fluoreszenzfarbstoff gefärbt, Foto: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Umweltbiotechnologie
    Hier ist der intrazelluläre Speicherstoff (PHA) mit einem Fluoreszenzfarbstoff gefärbt, Foto: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Umweltbiotechnologie