CO2 ist nicht nur ein Treibhausgas, sondern auch ein Rohstoff, der in unterschiedlichen industriellen Bereichen, wie in der Lebensmittelindustrie oder der Agrarwirtschaft, zum Einsatz kommt. Um CO2 aus den Abgasen von Kraftwerken oder aus industriellen Prozessen filtern, konzentrieren und nutzen zu können, werden effiziente Technologien benötigt. Derzeit kommen wässrige Amin-lösungsmittel (z. B. auf Monoethanolaminbasis – MEA) zum Einsatz, um das CO2 aus den Abgasströmen abzuscheiden. Der Nachteil dieser Methode ist, dass sehr viel Energie gebraucht wird, um das CO2 anschließend aus dem Lösungsmittel wieder abzutrennen. Der Energieaufwand liegt bei einer Abscheideeffizienz von 90 % bei rund 4 GJ pro Tonne CO2. Die Kosten für das Verfahren werden mit bis zu 100 Euro pro Tonne CO2 beziffert.
Im Leitprojekt der Energieforschung „ViennaGreenCO2“ kooperieren ForscherInnen der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität für Bodenkultur (BOKU) mit Shell und weiteren Partnern um eine neue, kostengünstige und energieeffiziente Kohlendioxid-Abscheidetechnik zu entwickeln. Im ersten Halbjahr 2018 soll eine Pilotanlage am Biomassekraftwerk Simmering der Wien Energie in Betrieb gehen, wo die neue Technologie im Realbetrieb getestet wird.
Kohlenstoffneutrale Technik
Der neu entwickelte Prozess arbeitet ebenfalls mit Aminen, allerdings nicht in flüssiger Form. Es wird ein Wirbelschichtverfahren eingesetzt, bei dem feste Partikel mit dem Rauchgas in Kontakt gebracht werden. An der Oberfläche der hochporösen Partikel werden die Amine aufgebracht. Entscheidend ist, dass sich das Rauchgas und der Strom aus Amin-funktionalisierten Partikeln in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Das Rauchgas strömt von unten nach oben und gibt dabei CO2 ab, die Partikel strömen von oben nach unten und nehmen auf dem Weg durch die mehrstufige Wirbelschichtkolonne immer mehr CO2 auf. Danach werden die Partikel in eine zweite Wirbelschichtkolonne umgeleitet. Dort werden sie aufgeheizt, geben dabei das CO2 wieder ab und können im Anschluss für weitere Abscheidungsprozesse wiederverwendet werden.
Video: Temperature Swing Adsorption Process Development at TU Wien
Erfolgreiche Laborversuche
Die Tests in den Laboranlagen der TU Wien waren sehr erfolgreich und haben gezeigt, dass das Prinzip funktioniert. Mehr als 90 % des Kohlendioxids konnte in der Versuchsanlage abgeschieden werden. Die ForscherInnen erwarten, dass mit der neuen Technologie der Energieeinsatz um bis zu 40 % gesenkt werden kann. Wirbelschichtsysteme können im Vergleich zu herkömmlichen Abscheidesystemen wesentlich kompakter und kostengünstiger gebaut werden. Daher geht man davon aus, dass die Abtrenn-kosten pro Tonne CO2 um bis zu 25 % gesenkt werden können.
Pilotanlage in Wien Simmering
Die Versuchsanlage an der TU Wien kann pro Tag etwa 50 kg CO2 abscheiden. In der geplanten Pilotanlage in Wien Simmering will man auf ca. 1 Tonne pro Tag kommen. Die Wirtschaftlichkeit des Konzepts soll hier in Langzeittests erprobt werden. Eine zukunftsweisende Option wäre es, die neu entwickelten CO2-Abscheidereaktoren mit Biomasseverbrennungsanlagen zu kombinieren (BECCS-Technik). Im Rahmen des Projekts will man auch demonstrieren, wie ein nachhaltiger CO2-Kreislauf aussehen kann: Ein Teil des im Kraftwerk abgeschiedenen Kohlendioxids soll in einem Versuchsgewächshaus der LGV Frischgemüse als Düngemittel eingesetzt werden.
„Wir wollen praktische Lösungen entwickeln, die zur Energiewende beitragen können. Die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) ist eine dieser Lösungen. Mit Hilfe von CCS lässt sich CO2 aus Kraftwerken und Industrieanlagen abscheiden und sicher unterirdisch speichern. Unser Ziel ist es, mit dem ViennaGreenCO2-Projekt in Zusammenarbeit mit unseren Partnern zu zeigen, dass innovative Ansätze zur Kohlen-dioxidabscheidung die Effektivität dieser Technologie verbessern können.“
Dr. Rob Littel
Technology Opportunity Manager CO2 abatement, Shell