Bei der Sanierung von Siedlungen und Stadtquartieren geht es nicht nur darum, die Energieeffizienz der Gebäude zu erhöhen und den Energieverbrauch zu senken – für die Entwicklung hin zur Klimaneutralität braucht es ein umfassendes Gesamtkonzept, das auch den Ressourcenbedarf für die Infrastruktur sowie die Mobilität der Bewohner:innen umfasst. Mit der Sanierung und Nachverdichtung einer Wohnhausanlage aus den 1980er Jahren im Salzburger Stadtteil Aigen hat der gemeinnützige Bauträger Heimat Österreich ein zukunftsweisendes Konzept realisiert. Das Projekt demonstriert, wie sich Klimaschutz, hohe Ansprüche an die Wohnqualität und Leistbarkeit im geförderten Wohnbau optimal vereinbaren lassen.
Die Wohnanlage in der Friedrich-Inhauser-Strasse war aufgrund des schlechten energetischen Zustands und der in die Jahre gekommenen Bausubstanz ein Musterbeispiel für den sanierungsfälligen Gebäudebestand in Österreich. Die Heimat Österreich entschied sich für eine nachhaltige Sanierung nach klimaaktiv Standards (Gebäude und Siedlung), die umfassend wissenschaftlich begleitet wurde. Im Rahmen der Forschungsprojekte „ZeCaRe I“, „ZeCaRe II“ und „ZeCaMo“ 1 wurden optimierte Lösungen ausgearbeitet. Bei allen Maßnahmen galt es, kostenschonend zu planen und die sozialen Bedürfnisse der Bewohner:innen bestmöglich zu berücksichtigen.
Nachverdichtung und Freiraumgestaltung
Die Bestandsgebäude der Siedlung wurden im Rahmen des Projekts nicht nur saniert, sondern auch erweitert. Durch Aufstockung konnten statt den bisher 75 Wohnungen nun 99 Wohneinheiten geschaffen werden. Das Konzept2 setzt darauf, vorwiegend Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen zu verwenden. Die Zubauten wurden in Holz-Hybridbauweise ausgeführt. Durch ein Fassadendämmsystem aus Cellulose konnte der Energieverbrauch der Gebäude erheblich reduziert werden. Großen Wert legte man auch auf die Freiraumgestaltung der Siedlung. Es wurden Gärten und viele Flächen für Gemeinschaftsaktivitäten eingeplant.
Zukunftsweisendes Energiekonzept
Ziel der Sanierung war es, den CO2-Ausstoß der Wohnungsanlage auf ein Minimum zu reduzieren. Das technische Gesamtkonzept wurde von ECA – Energy Consulting Austria erstellt und gemeinsam mit der FH Salzburg und dem Salzburger Institut für Raumplanung (SIR) auf Basis von Simulationen optimiert. Statt mit Erdgas werden die Wohnungen nun zu 100 % aus erneuerbaren Energieträgern versorgt. Dazu kommen Wärmerückgewinnung aus dem lokal anfallenden Abwasser und aus der Raumluft, PV, eine Pelletsheizung sowie ein Pufferspeicher zum Einsatz. Die Nutzung der Wärme aus dem Abwasser ist im mehrgeschossigen, geförderten Wohnbau ein völlig neuer Ansatz. Das gesamte Abwasser wird in einem Becken gesammelt, die Wärmeenergie mittels Wärmpumpe aus dem Wasser zurückgewonnen und schließlich für die Bereitstellung von Warmwasser und Raumwärme in den Wohnungen genutzt. Auf den Dächern wurde eine Photovoltaik-Anlage installiert (85 kWp), über die bis zu 20 % des Gesamtstrombedarfs abgedeckt werden. Hierfür wird von der Salzburg AG ein Mieterstrommodell angeboten, das den Bewohner:innen einen detaillierten Überblick über ihren Stromverbrauch und den PV-Ertrag liefert.
Neue Mobilitätsangebote
Eine Vorreiterrolle übernimmt das Projekt mit seinem umfassenden Mobilitätskonzept. Den Bewohner:innen wird eine breite Palette an alternativen Fortbewegungsmitteln zur Verfügung gestellt, um Fahrten mit dem privaten Pkw zu reduzieren. Für jede Wohnung wurden mehrere Fahrradparkplätze eingeplant. An einem eigenen „Mobility Point“ können die Bewohner:innen unterschiedliche Sharing-Produkte kostengünstig nutzen. Dazu zählen Fahrrad-Korbanhänger, Fahrrad-Kinderanhänger, E-Scooter, E-Bikes, ein E-Lastenpedelec sowie ein E-Auto. Ladestationen für alle Fahrzeuge befinden sich ebenfalls dort.
Soziale Begleitung und Qualitätssicherung
Über die gesamte Projektlaufzeit hinweg wurden die Bewohner:innen intensiv betreut und informiert. Da sie für die Zeit der Sanierung umziehen mussten, wurden Ersatzwohnungen gefunden, Umzüge organisiert und auch die Einzugsphase begleitet. Etwa 25 % der früheren Bewohner:innen sind nach der Sanierung wieder in die Wohnanlage zurückgekehrt.
Die hohe Qualität des Gesamtprojekts wurde durch die Unterzeichnung einer Qualitätsvereinbarung und die Abstimmung mit den Smart City-Zielen der Stadt Salzburg sichergestellt. Bei der Sanierung wurde der klimaaktiv Gebäudestandard angewendet. Die Planung der Gebäude erreichte 929 von 1.000 möglichen Punkten und entspricht damit dem klimaaktiv-Goldstandard für nachhaltige Wohn- und Dienstleistungsgebäude. Zusätzlich erhielt das Projekt als eines der ersten Projekte österreichweit den klimaaktiv Siedlungsstandard in Silber.
Auszeichnungen
2021
Sustainability Award, FH Salzburg 1. Platz im Handlungsfeld „Forschung“
2021
VCÖ-Mobilitätspreis Salzburg, Stadt Salzburg prämiert als vorbildliches Projekt
2021
ÖGUT Umweltpreis: Gesamtes Projektteam – Hauptpreis in der Kategorie „Innovation und Stadt“
smartcities.at/projects/zecare-ii
1 Projektpartner: Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR) (Konsortialführer); Heimat Österreich, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Stadtgemeinde Salzburg, MA 05 Raumplanung und Baubehörde, MA06 Baudirektion und MA03 Soziales, Stadt Land Berg, Dr. Rosemarie Fuchshofer, FH Salzburg – Smart Buildings in Smart Cities
2 Arch.Christoph Scheithauer in Zusammenarbeit mit Arch. Stijn Nagels